Satelliten als Klimapolizei

Wo kommt das viele CO2 her?

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Dirk Asendorpf
Gábor Paál
Gábor Paál (Foto: SWR, Oliver Reuther)
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Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell. (Foto: SWR, Christian Koch)

Über 50 Umweltsatelliten haben die Erde permanent im Blick. Sie helfen heute auch die Frage zu beantworten: Warum stieg in den letzten Jahren der CO2-Gehalt der Atmosphäre so ungewöhnlich stark? Dank Satelliten der Nasa konnten vor allem drei Regionen ausfindig gemacht werden, die zuletzt eine wichtige Rolle spielten.

Die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) hat sich im vergangenen Jahr so schnell erhöht wie noch nie. Sie sei jetzt so hoch wie seit drei Millionen Jahren nicht mehr, teilte die UN-Weltorganisation für Meteorologie (WMO) am Montag in Genf mit. Doch wo genau kommt das viele CO2 her? Dank neuer Satelliten-Generationen fallen die Antworten darauf heute genauer aus als früher.

Rekordanstieg durch El Niño

Die Jahre 2015 und 2016 waren geprägt vom Wetterphänomen El Niño. Dass in El-Niño-Perioden das CO2 in der Atmosphäre stärker ansteigt als sonst - und so auch in diesen beiden Jahren - hatten Messungen schon vorher ergeben. Doch die Auswertung neuerer Satellitendaten der NASA konnten die Treibhausgasquellen genauer ermitteln:

  • Im Südamerikanischen Regenwald hat es aufgrund des damaligen El-Niño-Ereignisses sehr wenig geregnet, entsprechend haben die Bäume weniger Photosynthese betrieben, die Wälder haben somit weniger CO2 aus der Luft absorbiert.
  • Trocken war es auch in Indonesien, starke Waldbrände haben deshalb viel CO2 freigesetzt.
  • Und in Afrika haben ungewöhnlich hohe Temperaturen zu einem erhöhten organischen Abbau von toter Biomasse geführt – auch dadurch gelangte CO2 in die Luft. Zusätzlich zu den menschengemachten Treibhausgasen haben in den vergangenen zwei Jahren also noch weitere Effekte für zusätzliche Treibhausgase gesorgt, die sich dank der neueren Satelliten genau lokalisieren lassen.

Das CO2-Observatorium der NASA

Diese Daten stammen vom Satelliten OCO-2: Ihn hat die NASA 2014 eigens für die CO2-Beobachtung in die Umlaufbahn gebracht hat. Seit er die Erde umkreist, erfasst er mit Hilfe von Infrarot-Spektroskopie täglich rund 100.000 Mal das atmosphärische CO2 über den verschiedenen Regionen der Erde. Und das in sehr guter Auflösung, von jeweils 3 x 3 Kilometern, erklärt Junjie Liu, NASA-Forscherin am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena. Außerdem kann der Satellit die Photosyntheserate - also das Pflanzenwachstum - in einzelnen Regionen messen, denn auch das in den Bäumen und Blättern gebildete Chlorophyll hat ein charakteristische "Signatur", in der es das Sonnenlicht reflektiert.

Satelliten als Klimapolizei

Die Quellen von CO2 besser zu erfassen, ist auch vor dem Hintergrund der bevorstehenden internationalen Klimakonferenz wichtig. Bei Klimagipfeln können sich Staaten zu allen möglichen Zielen bekennen: Deutschland z. B. will seine CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent reduzieren (verglichen mit 1990), Argentinien will 2030 18 Prozent weniger Treibhausgase erzeugen als heute.

Doch bisher war es schwierig zu bestimmen, wie viel Treibhausgase ein Land wirklich ausstößt. Das herkömmliche Vorgehen war: Man rechnet zusammen, wie viel Öl, Kohle und Gas in einem Land verkauft und verbrannt wird – daraus wird dann die Menge des freigesetzten CO2 ermittelt. Dazu kommen Veränderungen der Landnutzung. So setzt zum Beispiel die Vernichtung von Wäldern ebenfalls CO2 frei. Auch das fließt in die Klimabilanz eines Landes ein. Das alles setzt aber verlässliche Zahlen voraus.

Wie verändern sich die Waldbestände auf der Erde?

Gerade die unendlichen Weiten tropischer Regenwälder können nur mit Satelliten überwacht werden. Hier kommt es nicht nur auf Waldflächen als solche an, sondern auch darauf, inwieweit der Wald noch in seinem ursprünglichen Zustand ist. Große Regenwaldflächen bestehen zwar noch, sind aber nicht mehr so dicht – z. B. weil wertvolle Edelhölzer schon geschlagen wurden. Mit Satelliten lassen sich exakte Karten von Wäldern und ihrem Gesundheitszustand erstellen.

Inzwischen können Satelliten aber noch mehr. Der Bremer Umweltphysiker Michael Buchwitz leitet das Treibhausgasprojekt der europäischen Weltraumagentur ESA. In einer von ihm erstellten bunten Animation ist zu erkennen, wie sich der CO2-Gehalt der Atmosphäre in den letzten 10 Jahren auch regional verändert hat. Die Schwankungen kommen durch die Aufnahme und Abgabe von CO2 durch Pflanzen.

Auch die Verteilung von Methan lässt sich über Satelliten erfassen

„Jedes Gas hat ein eigenes Muster, wie es sich in Raum und Zeit verteilt“, erklärt Michael Buchwitz. „Und aus diesen Schwankungen kann man erfassen, wo ein bestimmtes Gas emittiert wird, also ob es von Bodenquellen in die Atmosphäre kommt, oder umgekehrt von der Atmosphäre im Boden aufgenommen wird."

Auf der Animation von Michael Buchwitz sieht man die stetige Zunahme der beiden wichtigsten Treibhausgase um 0,3 bis 0,5 Prozent pro Jahr zu erkennen. Deutlich stechen auf der Animation auch einzelne Regionen als Hauptverursacher der Treibhausgase hervor.

„Wir haben den Anstieg der CO2-Emissionen von China verglichen mit dem berichteten Anstieg in Emissionsdatenbanken und haben da gesehen, dass die Satellitendaten sehr gut übereinstimmen mit den berichteten Emissionen. Wir würden das gerne in Zukunft nicht nur für ganz große Länder machen und große Gebiete machen wie die Ostküste der USA und ganz Europa, sondern viel mehr Details bekommen. Aber das ist mit derzeitigen Satellitendaten nicht möglich, hoffentlich mit zukünftigen.“

In Zukunft könnten Erdbeobachtungssatelliten eine Art Klimapolizei im Orbit werden. Mehrere Satellitenprojekte sind dafür in der Entwicklung, Anfang des nächsten Jahrzehnts sollen sie startbereit sein. Wichtig sind die Beobachtungen vor allem auch an den sogenannten Kipppunkten im Klimasystem: Stellen, wo kleine Veränderungen große Folgen haben können.

Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Erdbeobachtungssatelliten immer wichtiger werden. Sie können auch Erdbewegungen erfassen und sind daher für die Stadtplanung interessant. Mehr dazu in SWR2 Wissen: „Die Erde im Blick – Umweltsatelliten verändern den Alltag“.