SWR2 Wissen: Aula

Latein und andere Sprachen – Legenden und Wahrheiten

Stand
AUTOR/IN
Werner Schäfer
ONLINEFASSUNG
Ralf Caspary
Susanne Paluch

Das Schriftliche hat gegenüber dem Mündlichen einen höheren Stellenwert, sagt man. Oder: Latein fördert das logische Denken. Viele Mythen ranken sich um die Sprache. Der Anglist Dr. Werner Schäfer geht ihnen nach.

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Die Aula auf einen Blick

Die Schule prägt das Sprach-Verständnis

Wenn wir in die Schule kommen, tritt uns die Sprache als Gegenstand des Lernens gegenüber. Dabei stehen zwei Dinge hoch im Kurs: Regeln und Schrift.

Wir erlernen den schriftlichen Code und erleben, dass Dinge als "richtig" oder "falsch" eingeordnet werden, eine ganz andere Erfahrung als bis dahin, wo wir Sprache als Mittel der Kommunikation erlebt haben.

Diese Erfahrung in der Schule ist prägend für unsere Einstellung gegenüber der Sprache. Wir messen Sprache nach den Kriterien, die die Schule vermittelt, nicht nach denen, die das Leben vermittelt. 

Die Aufgabe der Schrift-Sprache

Oft wird der Schriftsprache ein höherer Rang zugesprochen als der mündlichen Sprache. Sie sei eine unvollständige, fehlerhafte, minderwertige Fassung der Schriftsprache.

Dazu eine Anekdote: Eine ältere Dame hält den ersten "Brief" in der Hand, den ihre Enkelin ihr geschrieben hat. Das Ergebnis: ein verständlicher, aber von den Regeln der deutschen Orthografie abweichender Text.

Das Kind ist im Vorschulalter und hat sich ohne Anleitung das Schreiben selbst beigebracht. Weil der Text von den Regeln der deutschen Orthografie abweicht, tadelt die Oma ihre Enkelin. Doch die Oma verwechselt da etwas.

Es ist natürlich nicht die Aufgabe der Sprecher, sich buchstäblich – im wahrsten Sinne des Wortes – nach der Schrift zu richten.

Es ist die Aufgabe der Schrift, die mündliche Sprache wiederzugeben.

Wenn das Kind das Wort verstehen ohne <r> und ohne <h> schreibt, dann reflektiert diese Schreibweise die Aussprache des Wortes ganz korrekt. Sogar "besser" als die amtliche Schreibung.

Wörter entstehen nicht im Wörterbuch

Die Vorstellung, dass richtige Wörter nur solche sind, die im Wörterbuch stehen, ist abwegig. Alle Wörter beginnen ihr Leben außerhalb des Wörterbuchs.

Es gibt keine Wörter, die zunächst im Wörterbuch stehen und dann in die Sprache gelangen. Es ist umgekehrt.

Die logischen Sprachen

Das Lateinische hat, und das ist das Entscheidende, kein Alleinstellungsmerkmal.

Auch in morphologisch einfacheren Sprachen wie dem Englischen müssen "logische" Bezüge hergestellt werden, müssen die Beziehungen zwischen Satzgliedern verstanden werden. Sonst ist keine Sprachproduktion und keine Sprachverarbeitung möglich.

Und ist es nicht merkwürdig? Für das Russische, das dem Lateinischen in seiner Struktur bemerkenswert ähnlich ist, wird nie mit dem Argument geworben, es fördere das logische Denken. 

Wort der Woche

Wort der Woche Longtermism - erklärt von Bernhard Pörksen

Longtermism bezeichnet den Einfluss des Heute auf unsere langfristige Zukunft. Ein elitäres Projekt, das sich mit den Auswirkungen unserer Handlungen auf weit in der Ferne liegende Generationen befasst und viele Fans vor allem in der Tech-Branche und in der KI-Forschung findet. Die Anhänger dieser Haltung und Langfristigkeitsideologie betrachten existentielle Verbesserungen in einer gar nicht vorhersehbaren Zukunft in Hunderten und Tausenden von Jahren als moralische Priorität für unser Agieren - was so positiv klingt, ist auch fragwürdig. Die Klimakatastrophe, die uns keine Zeit mehr lässt, wird zum Beispiel im Umfeld des Longtermism verharmlost.

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Wort der Woche Transformation - erklärt von Bernhard Pörksen

Es ist eine Binsenweisheit, dass das Leben Veränderung ist. Wer hätte sich noch vor ein paar Jahren vorstellen können was eine Corona-Pandemie oder Chat GTP ist. Ein Begriff, der sehr häufig in diesem Zusammenhang verwendet wird, ist die Transformation. Ein technisch klingender Begriff, der heutzutage als eine Art Wundermittel überall eingesetzt wird. Manager schaffen Mehrwert durch Transformation oder bei der Gewichtsabnahme spricht man von Body-Transformation. Warum Transformation ein diffuser Begriff ist, darüber hat sich der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen Gedanken gemacht.

SWR2 am Samstagnachmittag SWR2

Wort der Woche Fadensonnen - erklärt von Sandra Richter

Das Weltraumteleskop SDO hat es möglich gemacht und es hat uns einen gigantischen Sonnenfaden gezeigt. Eine riesige fadenartige Struktur auf der Sonnenoberfläche. In Paul Celans Gedicht „Fadensonnen“ ist der Begriff allerdings weniger erhellend geprägt. Die für Paul Celan typische Wortbildung beschreibt vor allem eine große Ödnis und Verdunkelung. Sandra Richter, die Leiterin des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, hat sich darüber Gedanken gemacht.

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Bildung So will Frankreichs Regierung Mobbing an Schulen verhindern

Mit einen Drei-Phasen-Plan will die französische Regierung künftig gegen Mobbing an Schulen vorgehen. Bei jedem Mobbing-Fall soll dann auch die Justiz eingeschaltet werden. Den Tätern drohen Social-Media-Sperren und sogar Haftstrafen.

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Familie Was Väter anders machen – Männer in der Erziehung

Bei der Kindererziehung steht die Bindung zur Mutter für viele im Vordergrund. Der Vater hingegen wird als Elternteil oft unterschätzt. Die Forschung will jetzt damit aufräumen. Von Christina Bergengruen (SWR 2023) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/vaeter-erziehung | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns gerne auf Mastodon: https://ard.social/@SWR2Wissen

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Bildung So steht es um die Inklusion in der Schule

In den vergangenen Wochen hatten viele Kinder in Deutschland ihren ersten Schultag. Für Eltern von Kindern mit Behinderung ist die Wahl der Schule aber oft mühselig. Nur wenige finden einen Platz an einer Regelschule – trotz UN-Behindertenrechtskonvention.

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Aula Schlecht- oder Rechtschreiben – Provokante Thesen zur Orthografie

In der Schule spielt Orthografie eine wichtige Rolle. Kinder sollen fehlerfrei schreiben. Muss das wirklich sein? Der Anglist Werner Schäfer hat sich darüber Gedanken gemacht.

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