Vom Abgas zum Rohstoff

So wird aus Kohlendioxid Plastik

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Helmuth Nordwig
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Ulrike Barwanietz
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)

Die Chemieindustrie sucht nach neuen Rohstoffquellen. Denn Erdöl, Kohle und Gas sind endlich. Und vor allem setzen sie das Treibhausgas Kohlendioxid frei. Seit einiger Zeit wollen Chemiker den Spieß umdrehen: Sie planen, CO2 direkt als Rohstoff zu nutzen, so wie das Pflanzen machen.

Kohlendioxid als Rohstoff nutzen - das ist eine faszinierende Idee. Doch dazu müssen Chemiker dieses Gas erst einmal einfangen. Am leichtesten geht das dort, wo CO2 in großen Mengen als Abgas anfällt. Nämlich bei Industrieprozessen. Udo Lubenau von der Leipziger DBI Gas- und Umwelttechnik nennt ein Beispiel: Anlagen, in denen Zement aus gebranntem Kalk erzeugt wird.

Den richtigen Filter finden

Doch das Herausfiltern ist nicht einfach, denn es ist nicht nur Kohlendioxid im Abgas, sondern auch Schwefeldioxid, Stickoxide, Wasserdampf und jede Menge Staub. Trotzdem konnten die Leipziger Forscher ein neuartiges Sieb entwickeln.

Bei ihm schlüpft vor allem Kohlendioxid durch die Poren und die anderen Bestandteile des Abgases nicht so leicht. Hinter diesem Filter hat man also viel mehr Kohlendioxidgas als davor. Dann muss es noch verdichtet werden, damit es einfacher zu transportieren ist. Es könnte sogar verflüssigt und per Pipeline weitergeleitet werden.

Demnächst sollen die Filter erstmals in den Schornstein eines Kalkwerks eingebaut werden. Andere Forscher verfolgen die Idee, das Treibhausgas direkt aus der Luft zu gewinnen. Da ist zwar viel weniger drin als in Industrieabgasen, doch die Forschung ist auf diesem Gebiet trotzdem einen Schritt weiter.

CO2 Zeichen aus Wolken im Himmel (Foto: Getty Images, Thinkstock -)
Das Treibhausgas Kohlendioxid gilt als wichtiger Faktor des Klimawandels. CO2 könnte jedoch künftig auch eine wichtige Rolle spielen als Rohstoffquelle bei der Herstellung von Kunststoffen.

Das Kohlendioxid festhalten

Zum Beispiel Ulrich Zuberbühler vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung. Er hat eine Substanz entwickelt, die Kohlendioxid festhält und sich in Wasser löst. So kann er einfach Luft durch diese Lösung pumpen, CO2 bleibt an der Chemikalie hängen und kann daraus später wiedergewonnen werden.

Allerdings ist die chemische Verwertung von Kohlendioxid prinzipiell schwierig, weil das Molekül nicht leicht reagiert. Aber ganz spezielle Bakterien können aus CO2 einen Kunststoff mit dem Kürzel PHB herstellen.

Dieses Material wird zum Beispiel für bioabbaubares Plastikgeschirr verwendet oder für Lebensmittelverpackungen. Mitarbeiter von Johannes Gescher, Professor am Karlsruher Institut für Technologie, haben diese besonderen Einzeller gefunden.

Chemische Struktur von Polyhydroxybutyrate PHB - biologisch abbaubarer Kunststoff auf der Basis von Kohlendioxid (Foto: IMAGO, imago/Science Photo Library -)
Chemische Struktur von Polyhydroxybutyrate PHB - biologisch abbaubarer Kunststoff auf der Basis von Kohlendioxid

Kunststoff als Energiespeicher für Bakterien

Das Bakterium, das noch keinen offiziellen Namen hat, stammt von den Azoren. Wenn es Strom und Kohlendioxid zur Verfügung hat, lagert es im Inneren seiner Zellen kleine Kügelchen des Biokunststoffs ein. Der dient ihm als Energiespeicher.

Das ist so ähnlich wie bei Pflanzen: Auch sie bauen aus CO2 Speichermoleküle auf - zum Beispiel Stärke. Aber Pflanzen nutzen die Energie des Sonnenlichts, das Azoren-Bakterium bezieht sie dagegen aus Elektronen, also Strom. Johannes Geschers Mitarbeiter bauen dafür gerade einen ganz speziellen Bioreaktor.

Der Reaktor enthält einen Schaber, mit dem die oberste Zellschicht immer wieder entfernt wird. Erste Versuche zeigen: Aus diesen abgeschabten Zellen können die Experten den PHB-Kunststoff gewinnen. Wie effizient dieser Vorgang ist, kann Johannes Gescher noch nicht sagen - und damit auch nicht, mit welchen Kosten er verbunden ist. Das gilt auch für die meisten anderen Ansätze, CO2 chemisch zu verwerten.

Doch eine Ausnahme gibt es bereits: Die Herstellung von Matratzenschaumstoff. Seit ein paar Jahren nutzt ein Unternehmen dafür auch Kohlendioxid von einem Braunkohlekraftwerk. Etwa ein Fünftel des Kohlenstoffs in den Matratzen stammt aus diesem CO2 - und das ist ja immerhin ein Anfang.

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Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei SWR2 Wissen. (Foto: SWR, Christian Koch)