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Täterprofile – Das Selbst in den digitalen Medien

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Susanne Paluch
Ralf Caspary

Eine merkwürdige Verwandtschaft: Das Format des Profils in den sozialen Netzwerken geht zurück auf psychiatrische Profile von Internierten oder auf Täterprofile von Mördern, sagt Professor Andreas Bernard von der Universität Lüneburg im Gespräch mit Ralf Caspary.

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Die Aula auf einen Blick

Die Geschichte des Profils

Die Geschichte des Profils lässt sich sehr genau rückverfolgen: Im frühen 20. Jahrhundert fing es an in der Psychotechnik, z.B. bei der Begutachtung von schwer erziehbaren Kindern.

Russische Psychotechniker haben ein Verfahren entwickelt, das sie das "psychologische Profil von Kindern" nennen und auf dessen Basis sie entscheiden, ob ein Kind in eine Sonderschule gehen soll oder in eine normale Schule.

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann in den USA das FBI, Täterprofile im kriminalistischen Sinne zu erstellen.

Die Frage ist: Woran liegt es, dass das Format "Profile", das seit dem Ersten Weltkrieg bis in die frühen 90er-Jahre der Psychiatrie, Psychologie und Kriminalistik vorbehalten ist, in Windeseile umschlägt und zu einem Vehikel der Selbstentfaltung wird?

Ein Werkzeug der Selbstvermarktung

Das Profil als ein Kondensat der Biografie ist ein Phänomen des 20. Jahrhunderts.

Solange es die Normalerwerbsbiografie gab, gab es keine Notwendigkeit für Profile. Warum soll ich mich ständig als attraktiver Arbeitnehmer profilieren, wenn ich ohnehin meine lebenslange Stelle habe?

Seit den 1980er-Jahren hat sich das geändert: Wir sind ständig auf Arbeitssuche und hangeln uns von Vertrag zu Vertrag. Das bedeutet, dass wir immer wieder gezwungen sind, uns als kompetenten, attraktiven Arbeitnehmer darzustellen, um den nächsten Job zu bekommen.

Arbeitnehmer bei der Arbeitsvertragsunterzeichnung (Foto: IMAGO, imago images / Westend61)
Arbeitnehmer bei der Arbeitsvertragsunterzeichnung

Und dazu nutzen wir die sozialen Medien.

Fazit: Die veränderte Arbeitsmarktsituation ist ein Grund, weshalb wir Profile als Werkzeug der Selbstvermarktung nutzen.

Facebook und Werbung

Facebook-Chef Mark Zuckerberg führt den Erfolg von Facebook darauf zurück, dass Facebook nur ein Profil pro Nutzer erlaubt – und es muss echt sein.

Warum? Es geht um marktwirtschaftliche Gründe. Denn Werbekunden von Facebook kennen dadurch die Namen, Wohnorte, das Alter der Nutzer und wer als Werbeadressat und damit potenzieller Kunde in Frage kommt.

(Produktion 2018)

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