Luthers Lieder im Interview 5

Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist

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AUTOR/IN
Jan Ritterstaedt

Einmal im Monat stellt SWR2 Cluster dieses Jahr ein Luther-Lied vor - im Interview! Im fünften Interview geht es um Luthers "Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist".

SWR2 Cluster: Mit großen Schritten eilen Christen in aller Welt ja jetzt auf das Pfingstfest zu. Deshalb haben wir heute kurz nach Christi Himmelfahrt auch schon einmal ein echtes Pfingstlied Martin Luthers ins SWR2-Studio eingeladen: Herzlich willkommen!
Vielen Dank für die Einladung!

"Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist" - ihr Titel klingt ja schon irgendwie verbindlich, so wie eine Aufforderung. Sind sie ein Aufforderungs-Lied?
Also ich glaube nicht, dass sich der Heilige Geist zu irgendetwas auffordern lässt. Er kommt oder er kommt nicht (lacht). Nein, im Ernst: mein Text ist mehr ein Gebet, eine Bitte darum, dass der Heilige Geist auf die Christen niederkommen möge. Genauso wie es ja bei den Aposteln und Jüngern Jesu geschehen ist. Genau dieses Ereignis feiern wir ja beim Pfingstfest.


Wo kommt denn ihr Text her. Hat Luther ihn sich selbst so ausgedacht?
Jein, er hat meinen Text zwar neu gedichtet, aber auf Grundlage eines alten, lateinischen Hymnus: "Veni Creator Spiritus", also auf deutsch: "Komm, Schöpfer, Geist". Diese Pfingstsequenz stammt wohl schon aus dem 9. Jahrhundert und wird auch heute noch verwendet. Aber natürlich hat Luther diesen Text nicht einfach nur übersetzt: er hat gleich eine neue, deutsche Dichtung daraus gemacht, mit schönem, regelmäßigem Versmaß zum Einprägen und Nachsingen für die Gemeinde.

Gibt es denn neben den textlichen auch musikalische Verbindungen zwischen ihnen und ihrer mittelalterlichen Vorlage? Hat Luther das alles etwa nur geklaut?
Was sie dem alles unterstellen: natürlich nicht! Meine Melodie klingt doch viel moderner, ausgereifter und sangbarer als dieses alte Ding aus dem Mittelalter. Wenn Sie sich das mal anhören, hören sie doch gut den Unterschied: meine Musik geht direkt ins Herz. Ganz anders als bei dieser gleichförmigen, abstrakten gregorianischen Melodie. Und dieses Latein versteht doch sowieso niemand. Meine Botschaft wird dagegen sofort von der Gemeinde verstanden. Und so sollte es ja auch sein: dafür bin ich ja auf dieser Welt!

Das war Luthers reformatorisches Ideal, in der Tat. Wenn man aber mal ganz genau hinhört, dann findet man bei ihnen ja schon den einen oder anderen Ton aus der gregorianischen Melodie wieder, oder?
Ja gut, sie haben ja Recht. Das Grundgerüst meiner Melodie ist schon ein bisschen an den gregorianischen Choral angelehnt. Luther wollte eben an der Tradition anknüpfen, aber darauf aufbauen und etwas Neues schaffen. Und das ist ihm doch in meinem Fall wirklich gelungen, finden sie nicht?

Ja, natürlich. In welcher Form hören sie sich denn selbst am liebsten? Ich meine: es gibt ja zahlreiche Komponisten, die sie in ihren Werken verwendet haben.
Oh ja! Also ich muss sagen: besonders wohl habe ich mich immer als Choralvorspiel von Johann Sebastian Bach gefühlt. Der hatte immer so eine unglaublich kreative und virtuose Art mit mir umzugehen. Das fand übrigens auch Arnold Schönberg. Er hat Bachs Version Anfang der 1920er-Jahre sogar für großes Orchester bearbeitet - und natürlich trete ich da immer besonders prominent aus dem Stimmengeflecht hervor.

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Jan Ritterstaedt