SWR Tagesgespräch mit Verfassungsrechtler Kirchhof

Wahlrecht für Kinder von Geburt an

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Kinder seien von heutigen politischen Entscheidungen am längsten betroffen, sagt der frühere Bundesverfassungsrichter Kirchhof. Deswegen müsste man ihnen von klein auf eine Stimme zusprechen.

Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Paul Kirchhof, hält wenig davon, das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre abzusenken. "Ich würde da sehr zögern", sagte Kirchhof im SWR Tagesgespräch. Normalerweise erwarte man, dass wenn jemand etwas tue, was für andere Menschen bedeutsam ist, er sich dafür qualifiziere. Der Verfassungsgeber habe sich das gut überlegt, dass nur derjenige wahlberechtigt sei, der politische Mündigkeit erlangt habe. Dies sei ein "starker Vertrauensbeweis", der "wohl nicht weiter belastet" werden dürfe. 

Kirchhof forderte stattdessen ein Wahlrecht für jeden deutschen Staatsbürger von Geburt an. Ein Kind sei ein Mensch, die Grundrechte seien Menschenrechte, argumentierte er. Kinder seien von den heutigen politischen Entscheidungen noch am längsten betroffen. Deswegen müsse man jedem Kind ein Wahlrecht zusprechen, das so lange von den Eltern ausgeübt werde, bis das Kind volljährig ist und selbst wählen könne. In der Praxis hätte dann jeder Elternteil eine halbe Stimme mehr, um Konflikte zu vermeiden.

Das Vorhaben der Bundesregierung, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, sieht Kirchhof skeptisch. Kinder hätten sowieso Grundrechte, da müsse man sich keine neuen ausdenken. Er plädierte stattdessen dafür, die Wahrnehmung der Kinderrechte zu stärken. Das geschehe dadurch, dass man sicherstelle, dass Menschen, die ein Kind bekommen, dadurch wirtschaftlich stärker, nicht schwächer würden. Es bräuchte folglich "ein bemerkenswertes Kindergeld" oder die Garantie, den Beruf ohne Einbußen unterbrechen zu können. Das wären "die großen Maßnahmen", die den Kindern zu Gute kämen.

 

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SWR