Luthers Lieder im Interview 10

Ein feste Burg ist unser Gott

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AUTOR/IN
Jan Ritterstaedt

Einmal im Monat stellen wir Ihnen in diesem Jahr jeweils ein Luther-Lied vor. Und das machen wir, indem wir das Lied einfach ins Studio eingeladen haben. Heute geht es um das Reformationslied überhaupt: "Ein feste Burg ist unser Gott".

Meinen heutigen Studiogast brauche ich eigentlich gar nicht vorzustellen, denn Sie kennen ihn sicher alle aus Gottesdiensten, Rundfunk, Film, Fernsehen, Sinfonien, Kantaten und Orgelvorspielen: Ich begrüße im SWR2 Studio "Ein feste Burg ist unser Gott" und freue mich ganz besonders, dass sie rund um das Reformationsjubiläum noch Zeit für uns gefunden haben.
Ja, das war terminlich nicht ganz leicht, aber es freut mich auch, dass es geklappt hat.



Sie müssen auch gleich wieder zum nächsten Event, deswegen heute mal ganz kurz: Worum geht es in Ihrem Text?
Mein Text basiert auf Psalm 46 "Gott ist unsre Zuversicht und Stärke". Ich bin ein Lied, das den Gläubigen Kraft geben soll, an ihre Sache zu glauben und auf Gott zu vertrauen. Das war eben noch in der frühen Neuzeit die feste Burg mit ihren Mauern und Wehrtürmen, wie man das so aus dem Mittelalter kennt. Dieses sehr plastische Bild hat dann leider dazu geführt, dass man mich auch für äußerst fragwürdige, rein weltliche Zwecke missbraucht hat.


Können Sie da vielleicht ein, zwei Beispiele nennen?
Sicher. Man hat mich vor allem im 19. Jahrhundert z.B. mehrfach in die Nähe der Marseillaise gerückt. Das ist natürlich völliger Unsinn! Mit diesem revolutionären Soldatenlied habe ich ja nun wirklich nichts zu tun. Wenn man mich dann zur Einweihung des protzigen Wormser Lutherdenkmals einsetzt – naja gut. Schlimm fand ich es aber, als ich auf diversen Feldpostkarten im ersten Weltkrieg auftauchte. Da hieß es dann sinngemäß: Ein feste Burg ist unser deutsches Vaterland und die Teufel lungern alle darum herum. Das hat ja nun mit meiner Intention wirklich nichts mehr zu tun.


Allerdings. Diese düsteren Zeiten sind ja hoffentlich vorbei. Dennoch habe ich gelesen, dass Sie auch eine Art Antwort auf die Bauernkriege zu Luthers Zeiten gewesen sein könnten ...
Ja, mein Text klingt natürlich schon ein bisschen nach Kampflied und man sucht natürlich immer gerne solche historischen Zusammenhänge. Manch einer hat sogar behauptet, ich wäre eine Antwort auf die osmanische Expansion dieser Zeit. Bei mir geht es aber allein um die Standhaftgkeit des Glaubens und das Vertrauen auf Gott. Mein Text richtet sich also nicht gegen irgendwen, auch nicht gegen die Altgläubigen, wie man mir immer wieder unterstellt hat.


Wann sind Sie und Ihr Text denn jetzt entstanden?
Daran kann ich mich gar nicht mehr so genau erinnern (überlegt) ... warten Sie mal ... das muss so irgendwann zwischen 1520 und 1529 gewesen sein. In dem Jahr bin ich nämlich das erste Mal gedruckt worden. Meine Melodie hat Luther wohl auch selbst geschrieben. Sie lehnt sich eigentlich ganz eng an den Rhythmus meines Textes an. Erst im 19. Jahrhundert wurde ich dann zu diesem feierlichen Kirchenchoral begradigt, wie man mich heute kennt – leider muss ich sagen.


Warum leider?
Ich fühle mich eigentlich in meiner Originalgestalt am wohlsten. Dann wirke ich auch gar nicht mehr so martialisch.


"Ein feste Burg ist unser Gott" – wir haben heute einen echten Star unter den Lutherliedern zu Gast bei SWR2. An sich würde ich jetzt fragen, wo Sie überall in der Musikgeschichte ihre Spuren hinterlassen haben. Aber wahrscheinlich sollte ich eher fragen: wo nicht?
Tja, ich kenne keine katholische Messkomposition, in der ich auftauche. Aber Spaß beiseite. Nein, ganz prominent hat mich natürlich Felix Mendelssohn Bartholdy in seiner Reformationssinfonie inszeniert. Die werden Sie in den nächsten Tagen sicher auch rauf und runter spielen. Darin werde ich dann mit allen musikalischen Mitteln zur echten Reformationshymne hochstilisiert. Und ich muss schon zugeben: in dieser feierlichen Rolle fühle ich mich eigentlich auch ganz wohl.


Gerade, wenn man Sie in Mendelssohns Reformationssinfonie so hört: Ich finde ja, Ihrer Melodie – und auch Ihrem Text – wohnt auch eine gewisse Theatralik inne, oder?
Wenn Sie meinen ...


Zumindest sah es der deutsche Komponist und Dirigent Christian Sprenger so. Er hat Sie nämlich in ein ganz besonderes Klanggewand gesteckt. Wissen Sie, was ich meine?
Ach Sie reden von dieser Filmmusik-CD aus Weimar? Wie hieß die noch ...


Lutheran Symphonix.
Ach ja. Was das Reformationsjubiläum in diesem Jahr so alles an musikalische Blüten treibt ... Aber gut, spielen Sie es ruhig mal an.


Das mache ich. Ihnen schon einmal herzlich Dank für das Gespräch und viel Spaß beim Feiern am Dienstag!
Danke, gleichfalls!

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Jan Ritterstaedt