Personen, die das Musikleben in Karlsruhe geprägt haben

Hermann Levi, Weltbürger und Karlsruher Hofkapellmeister

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AUTOR/IN
Georg Waßmuth
ONLINEFASSUNG
Chris Eckardt

Porträtreihe - Teil 4

Er hat die Erstaufführung der "Meistersinger von Nürnberg" nach Karlsruhe geholt, ebenso die von Schumanns Oper "Genoveva" und Mendelssohn Bartholdis Opernfragment "Loreley". Die Rede ist von dem Hofkapellmeister Hermann Levi, den viele Musikkenner bis heute zu den bedeutendsten Persönlichkeiten zählen, die je in der badischen Residenzstadt wirkten.

Inzwischen hat auch das Badische Staatstheater Karlsruhe die Bedeutung des Dirigenten erkannt: Am 28. Januar 2017 wird der Platz vor dem Theater nach Hermann Levi benannt.

Als der Dirigent Hermann Levi im August 1864 mit einer Dampflokomotive am alten Karlsruher Hauptbahnhof ankam, erwartete ihn eine quirlige, aufstrebende Residenzstadt. Sie hatte zwar kaum mehr als 30.000 Einwohner, aber alle Zeichen standen auf Wachstum und Prosperität. Der gerade einmal 25-jährige Dirigent wird sich seinen Zylinder aufgesetzt, eine Pferdedroschke herbei gewunken und voller Tatendrang das neue Hoftheater als Fahrtziel angegeben haben.

Hermann Levi hatte am Aufbau des Karlsruher Musiklebens wesentlichen Anteil. Zwar hat es hier auch schon vor Levis Wirken ein Musik- und Theaterleben gegeben, aber Levi hätte es auf ein ganz anderes Niveau gebracht, betont der Musik- und Theaterwissenschaftler Dr. Stephan Mösch.

Musikalisch Hochbegabter mi weitem Bildungshorizont

Stephan Mösch beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Vita des Dirigenten Hermann Levi. Um diesen großartigen Musikerreger als Glücks- und Ausnahmefall einzuordnen, hat er die Berichte, Briefe und Reportagen unzähliger Zeitzeugen durchforstet.

Der Musikwissenschaftler charakterisiert den Dirigenten Levi als einen musikalisch Hochbegabten, der mit weitem Bildungshorizont schnell seine Karriere startete. Über Stationen in Saarbrücken, Mannheim und Rotterdam kam er nach Karlsruhe. Zu seinem geistigen Gepäck gehörten allerdings nicht nur die damals geläufigen Opern- und Konzertpartituren. Levi sei aber genau so an Literatur und die Bildender Kunst interessiert gewesen und hätte die deutsche Kultur wirklich als Einheit gesehen.

Rasche Beförderung zum Hofkapellmeister

In Karlsruhe wird Hermann Levi bereits nach einem Jahr Tätigkeit vom Kapell- zum Hofkapellmeister befördert. Noch vor dem sehr verdienstvollen Wilhelm Kalliwoda ist er so der wichtigste Musikkopf der gesamten Stadt. Der Phonograph von Thomas Alva Edison und das Grammophon von Emil Berliner waren noch nicht erfunden, also musste auch in Karlsruhe alle Musik live dargeboten werden.

Der junge Johannes Brahms, noch ohne Vollbart und altväterlichen Habitus, die Starpianistin Clara Schumann und viele andere Künstler gingen in Levis Wohnung in der Karlsruher Herrenstraße Nr. 48 ein und aus. Man plante Konzerte und Uraufführungen, besuchte mit dem Einspänner Künstlerfreunde in Baden-Baden oder saß heiß diskutierend in einem Gasthaus am Rhein. Niemand hat Levis Wirken so lebendig eingefangen wie die Karlsruher Schriftstellerin Anna Ettlinger in ihren Lebenserinnerungen ( Siehe Textkasten).

Kollegiales Miteinander von Dirigent und den Musikern

Auch Stephan Mösch hat zahlreiche Belege für die Beliebtheit des Dirigenten: "Nach allem was wir wissen, haben die Musiker Levi gemocht. Er berichtet an seinen Vater oft, dass sie ihm einen Tusch gespielt haben, dass sie ihm applaudiert haben. Er hat sich für die persönlichen Belange seiner Orchestermusiker interessiert. Er hat sich auch die Zeit genommen, ihnen zuzuhören. Daraus können wir schließen, dass Levi das Musizieren als eine gemeinsame Angelegenheit von Dirigent und Orchester verstanden hat."

40 Premieren unter Levi

Über seinem Karlsruher Publikum, so Stephan Mösch, schüttete Herman Levi während seiner achtjährigen Hofkapellmeister-Zeit auch ein Füllhorn an Neuer Musik aus. Richard Wagner, Johannes Brahms, Robert Schumann und noch mehr Komponisten deren Namen heute Schall und Rauch sind. Bis zu 40 Premieren stemmte das Hoftheater in jener Zeit. Levi war ein Arbeitstier. Ohne familiäre Bindung lebte er vollkommen und ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit nur für die Kunst. Mit seinem Intendant Eduard Devrient kämpfte er zäh und ausdauernd um innovative Spielpläne. Levi konnte auf den Rückhalt des Großherzogs zählen und gehörte als jüdischer Mitbürger zur anerkannten, geistigen Elite der Stadt. Als das Hoftheater während des Deutsch-Französischen Kriegs schließen musste und Karlsruhe ein einziges Lazarett wurde, meldete sich Levi freiwillig als Sanitäter.

Nächste Karriereschritte in München und Bayreuth

Nach dem Waffenstillstand öffnete das Haus wieder, doch da setzte Levi bereits zum Karriereschritt an. Die badische Residenz war für den Weltbürger zu eng geworden. Levi wird Hofkapellmeister in München und Hauptdirigent der Bayreuther Festspiele. Am unverblümten Antisemitismus der Wagner-Sippe zerbricht der Künstler letztendlich und stirbt im Mai 1900 im Alter von gerade einmal 61 Jahren. Im liberalen Karlsruhe wollte man ihn unbedingt halten. Sein Nachklang jedenfalls steht dort bis heute in allerhöchstem Kurs.

"Was man ganz bestimmt vermisst hat, das war dieser weite Horizont. Levi ist ja eben nicht nur Dirigent gewesen sondern ein vielseitig gebildeter Mensch, ein Humanist, ein geistiger Energetiker einfach und als solcher hat er in Karlsruhe sicherlich gefehlt." Dr. Stephan Mösch, Musik- und Theaterwissenschaftler

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