Musikgespräch

Zusammen(ge)hören: Bundesjugendorchester musiziert mit hörgeschädigten Jugendlichen

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INTERVIEW
Jörg Lengersdorf

Das Bundesjugendorchester erarbeitet mit Schülerinnen und Schülern des Bildungs- und Beratungszentrums für Hörgeschädigte Stegen ein gemeinsames Konzertprogramm. Erkundet wird dabei die Welt von Beethovens Taubheit. Im Mittelpunkt steht Beethovens 3. Sinfonie, die er in einer Zeit komponierte, in der sein Gehörverlust bereits weit fortgeschritten war. Gemeinsam musizieren werden die jungen Musikerinnen und Musiker des Bundesjugendorchesters mit den hörgeschädigten Jugendlichen bei der Uraufführung eines neuen Werkes von Mark Barden. Sönke Lentz, Orchesterdirektor des Bundesjugendorchesters, stellt das Projekt vor.

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Problemlose Kommunikation

Die Kommunikation im Orchester funktioniert problemlos, auch mit Hörgeschädigten, erzählt Sönke Lentz, Orchesterdirektor des Bundesjugendorchesters. Dadurch, dass im Orchester sowieso ein ständiger Wechsel stattfindet, seien vor allem die Älteren geschult, neue Mitglieder schnell zu integrieren.

Dazu benötigt es bei dem Konzerten mit den Schülerinnen und Schülern des Bildungs- und Beratungszentrums für Hörgeschädigte Stegen auch keine Gebärdensprache, da ein Großteil Cochlea-Implantate trägt, dadurch sei keine Gebärdensprache nötig.

Dirigieren ähnlich wie Gebärdensprache

Bei dem Projekt kam Lentz zu einer erstaunlichen Erkenntnis: bei einem Orchester gibt es ein Part, der schon immer lautlos war: der Dirigent. Er benutzt im Konzert keine stimmliche Sprache, sondern Körpersprache und Mimik, vermittelt dadurch seine Gedanken. Für den Orchesterdirektor ist somit Dirigieren auch eine Form der Gebärdensprache.

Letztere wird auch Teil des Konzerts sein, wenn Beethovens Heiligenstädter Testament vorgelesen wird, damit das gesamte Publikum teilnehmen kann.

Live-Aufnahme des Konzerts aus der Kölner Philharmonie bei WDR3, abrufbar bis 13.05.2023

Programm des Konzerts

Das Testament ist ein Zusatz zu der dritten Sinfonie Beethovens, auch „Erocia“ genannt, die das Zentrum des Konzertes bildet. Dadurch wird dich mit der Beziehung zwischen Musik und Hörschädigung auseinandergesetzt, Beethovens Krankheit war schon weit fortgeschritten, während er an der Sinfonie arbeitete, eine Genesung war ausgeschlossen.

Den zweiten Teil des Konzerts bildet eine Auftragskomposition von Mark Barden, der einen Workshop mit den Schülerinnen und Schülern des Bildungs- und Beratungszentrums für Hörgeschädigte Stegen durchführte. Hierbei wurde ausprobiert, wie Musik für Hörgeschädigte gemacht werden kann, unterschiedlichste Materialien und Werkzeuge wie Styropor oder Malerspachtel kamen dabei zum Einsatz.

Probenbegleitung des BJOs beim Konzert in Lübeck

Grenzen der Implantate

Bei dem Konzert werden auch die Limitierungen des Cochlea-Implantats klar, da es hauptsächlich auf die menschliche Sprache ausgelegt ist und nicht Musik.

So seien zum Beispiel die Unterschiede zwischen Geige, Bratsche und Cello nicht wahrnehmbar, ein Kontrabass aufgrund der niedrigen Schwingung jedoch schon. Vor allem der Unterschied zwischen Lautstärken sei sehr gut wahrnehmen.

Musikgespräch 50 Jahre Bundesjugendorchester: Projektmanager Sönke Lentz im Gespräch

2019 feiert das Bundesjugendorchester seinen 50. Geburtstag. Sönke Lentz ist Projektmanager des Orchesters und gibt im SWR2 Musikgespräch mit Ulla Zierau Auskunft über die Erfolgsgeschichte des BJO und dessen wichtige Rolle als Kulturbotschafter.

SWR2 Treffpunkt Klassik SWR2

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