Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin hat sich etwas vorgenommen, was aufhorchen lässt: In der kommenden Saison will das DSO, das vom Deutschlandradio, dem rbb sowie dem Bund und dem Land Berlin getragen wird, in jedem Konzert mindestens ein Werk einer Komponistin spielen.
Männerdomäne bekommt langsam Gesellschaft
„Lieben Sie Smyth?“ Kennen Sie diesen berühmten Film? Oder hatten Sie schon mal den Ohrwurm „I like Farrenc“? Ach nein, „I like Chopin“ heißt der Song, und der Film „Lieben Sie Brahms?“. Nach den Komponistinnen Ethel Smyth und Louise Farrenc sind keine Filmklassiker und Pop-Evergreens benannt.
Erfolgreiche Musikerinnen gibt es mittlerweile viele und auch die früher rare Spezies der Dirigentinnen hat sich erfreulich vermehrt. Aber Komponistinnen haben in unseren Konzertprogrammen noch immer Seltenheitswert, sofern es nicht gerade zeitgenössische Musik ist, da sieht es zum Glück anders aus. Der Klassik-Kanon aber ist nach wie vor Männerdomäne.
Ehrgeiz ist gefragt
Hat es einfach keine Komponistinnen gegeben oder durften begabte Frauen nicht, was sie gekonnt hätten? Von wegen. Das Deutsche Symphonie Orchester Berlin zeigt mit seinem ehrgeizigen Plan, in jedem Konzert mindestens ein Werk einer Komponistin zu spielen, was alles möglich ist und was sich auch andere Orchester vornehmen könnten.
Natürlich gibt es Pionierinnen, auf deren Arbeit so ein Plan überhaupt erst aufbauen kann. Zum Beispiel besteht seit über vierzig Jahren in Frankfurt das Archiv Frau und Musik, das weltweit größte seiner Art. Das Team des Archivs bietet, neben dem Stöbern in seiner einzigartigen Sammlung, übrigens auch konkrete Unterstützung bei der Planung von Konzertprogrammen an. Also, keine Ausreden sind mehr möglich: Es gibt komponierende Frauen, es gab sie schon immer!
Wütende Männer
Das Vorhaben des DSO hat nun viel Zuspruch gefunden, aber auch die heutzutage unvermeidlichen Shitstorms hervorgerufen. Daniel, Markus und Jochen sind wütend. So heißen einige der Facebook-Nutzer, die teilweise nicht davor zurückschrecken, die musikalische Frauenquote mit den Bücherverbrennungen der Nazis zu vergleichen.
Dabei wird kein Beethoven gecancelt und kein Strauss ausradiert, sondern es werden Künstlerinnen herausgeholt aus ihrer aufgezwungenen Unsichtbarkeit, oder besser gesagt Unhörbarkeit.
Bühne frei für den weiblichen Beethoven
Die Platzierung ist ziemlich behutsam. Meistens sind es eher kleinere Werke im, sagen wir, Vorprogramm. Eine ganze Oper von Ethel Smyth immerhin spielte das DSO letztes Jahr schon konzertant. Sehr hörenswerte Symphonien gäbe es zum Beispiel von Komponistinnen wie Louise Farrenc oder Emilie Mayer, die im 19. Jahrhundert als der französische bzw. der weibliche Beethoven gefeiert wurden.
Manches Werk einer Komponistin wird uns gefallen, manches nicht. Aber irgendwann werden wir es als peinlich empfinden, wenn wir die Sinfonien von Robert Schumann oder César Franck kennen, aber nicht die von Mayer und Farrenc. Darum wird ja noch längst kein Facebook-Jochen gezwungen, Beethoven von nun an die männliche Mayer zu nennen. Obwohl die Idee was hätte...
Der Beginn einer wunderbaren Reise
Aber im Ernst: Gerade öffentlich geförderte Orchester haben den Auftrag, auch, aber eben nicht nur jene Werke aufzuführen, die wir kennen und lieben. Sondern auch die, die wir kennen sollten und lieben könnten. Und werden. Einige zumindest. Freuen wir uns auf die Entdeckungsreise, die gerade erst beginnt!
3. Sinfonie von Louise Farrenc in g-Moll mit der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
Musikstück der Woche Die DRP und David Reiland mit der 3. Sinfonie von Louise Farrenc
Zeit wurde es: Immer mehr Komponistinnen werden wiederentdeckt. Dabei hatte Louise Farrenc deutlich günstigere Bedingungen als die meisten ihrer Kolleginnen und war schon zu Lebzeiten eine „Hausnummer“ im Pariser Musikleben.
Musik von Emilie Mayer
#zusammenspielen - freie Musiker*innen für SWR2 Cellistin Janina Ruh entdeckt Emilie Mayer
Mit Schere und Papier musste Janina Ruh sich ihre Cellostimme anfangs selbst basteln – denn an gedruckte Noten von Emilie Mayers selten gespielter Cellosonate d-Moll op. 38 zu kommen, war schwierig. Zum Aufnahme-Termin im SWR Studio Stuttgart kam die gedruckte Ausgabe dann aber dann noch rechtzeitig. Das klangschöne Ergebnis hören Sie in der aktuellen Folge von #zusammenspielen.
#zusammenspielen - freie Musiker*innen für SWR2 Pianistin Kerstin Mörk spielt Emilie Mayer
Als “weiblichen Beethoven” feierten Zeitgenossen die Komponistin Emilie Mayer. Doch nach ihrem Tod geriet ihre Musik in Vergessenheit. Pianistin Kerstin Mörk legt für #zusammenspielen die Weltersteinspielungen ihrer drei Humoresken op. 41 vor.
Musikstück der Woche Mayer, Emelie: Sonate für Violoncello und Klavier d-Moll op. 38, gespielt von Janina Ruh und Boris Kusnezow
Die Violoncellosonate d-Moll der Komponistin Emilie Mayer ist eine echte musikalische Rarität. Janina Ruh und Boris Kusnezow haben sie nun aus der Schatztruhe der Musikgeschichte gehoben und eingespielt.
Musikstück der Woche Mayer, Emilie: 3 Lieder für Singstimme und Klavier op. 7, gesungen und gespielt von Sarah Wegener und Götz Payer
Unter den Komponistinnen ist Emilie Mayer ein echter Sonderfall. In ihrer Jugend wurde die Apothekertochter früh musikalisch gefördert und früh stand auch ihr Entschluss fest, Komponistin zu werden. Fast scheint es so, als hätten die damaligen Einschränkungen für Frauen ihr nichts anhaben können. Vergessen wurde ihr interessantes Werk dennoch.
#zusammenspielen - freie Musiker*innen für SWR2 Sarah Wegener und Götz Payer für Lied-Fans
Sarah Wegener und Götz Payer haben für uns Lieder der Komponistin Emilie Mayer aufgenommen, von denen es bisher noch keine einzige Einspielung gibt. Eine echte Entdeckung! Dazu drei englische Lieder von Roger Quilter und Gerald Finzi; Sarah Wegener liebt sie besonders – vielleicht, weil sie Halb-Engländerin ist und daher einen guten Draht zur Insel und ihrer Musik hat. Bei Schubert geht jedem Lied-Fan das Herz auf – die beiden haben für uns zwei nachdenkliche Schubert-Lieder nach Gedichten von Goethe eingespielt: beide heißen „Wandrers Nachtlied“.
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Es sind die legendäre und oft unterschätzte Madame de Pompadour, die gewissenhafte Regentin Margarete von Österreich, die merkwürdig distanzierte Moskauer Aristokratin Nadeshda von Meck, die schillernde Misia Sert im Paris der 20er-Jahre, und die visionäre, französische Ärztin Nicole Bru.
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