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Wie kann man Konzerte für junge Menschen attraktiver gestalten?

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Hannah Schmidt
Hannah Schmidt (Foto: SWR)

Das Konzert- und Opernpublikum ist alt – älter als der Durchschnitt der Bevölkerung, das haben mittlerweile mehrere Umfragen und Studien gezeigt. Warum kommen immer weniger junge Menschen in die Konzerthäuser?

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Seit Beginn der 2000er-Jahre sinken die Besucherzahlen bei Konzerten und Opern

Je länger man darüber nachdenkt, warum das Konzert- und Opernpublikum ist, wie es ist, desto schwieriger wird es, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ja, in den vergangenen vierzig Jahren ist das Publikum älter geworden, älter als die Gesamtbevölkerung Deutschlands.

Seit Beginn der 2000er-Jahre sind auch die Besucherzahlen stetig zurück gegangen, zumindest bei den öffentlich finanzierten Musiktheatern. Und immer wieder zeigt sich: Gerade jüngere Menschen gehen deutlich seltener ins Konzert oder in die Oper als Menschen, die die 45 oder die 65 überschritten haben.

Seit sich dieser Trend abzeichnet, versuchen die Veranstalter und Häuser, ihm entgegen zu wirken: Musiktheater für junge Leute, Konzerte für Teenager, partizipative Projekte, TikTok-Opern, verkürzte Programme und DJs im Orchester: Alles, um die Zielgruppe U-30 her zu bewegen und zu binden. Das klappt auch zu einem gewissen Teil und ist vielleicht der Grund dafür, dass das Publikum nicht noch älter ist.

Symbolbild Konzertzuschauer (Foto: IMAGO, Imago / Alexander Gonschior)
Versuche, junge Menschen in Klassikkonzerte zu locken, gibt es viele. Doch tendenziell nehmen die Besucherzahlen seit den 2000er-Jahren ab.

Was ist denn eigentlich so falsch an alten Menschen?

Andererseits fragt man sich: Was ist denn eigentlich so falsch an alten Menschen? Gerade sie sind doch das zahlende Publikum, die treuen Freundinnen und Freunde, die Abonnentinnen und Abonnenten, die immer wieder kommen, die Brezel essen und Sekt trinken, Lobes- und Beschwerdebriefe schreiben, die klatschen, jubeln und stänkern. Von ihnen kommt viel Feedback und vor allem viel Geld – sie sind für das Konzertleben extrem wertvoll.

Und doch ist da ein Unbehagen: Gibt es vielleicht Barrieren, die junge Menschen abhalten? Sind die Theater nicht mehr am Zahn der Zeit? Sind sie vielleicht sogar uncool?

Mittlerweile zeigen Untersuchungen von Soziologinnen und Soziologen wie Martin Tröndle, dass eher sehr banale Dinge eine Rolle spielen: Viele junge Menschen kommen seiner Studie zufolge einfach deshalb nicht, weil sie schlicht nicht mitbekommen, wo was stattfindet. Da scheitert es also an der Kommunikation der Häuser selbst.

Ältere Zuschauende bei Klassik-Konzert (Dresden 2020) (Foto: IMAGO, Thomas Eisenhuth)
Vertrauter Anblick im Klassik-Betrieb: Das Publikum ist deutlich älter als der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.

Weit entfernt von der Lebensrealität junger Menschen

Was bei all dem nicht übersehen werden darf, ist die Lebensrealität vieler junger Menschen in Deutschland: Fast 40 Prozent der unter 35-Jährigen haben einen Migrationshintergrund, so unterschiedlich der auch aussehen mag.

Man kann davon ausgehen, dass ein Teil von ihnen nur schwer anknüpfen kann an Erzählungen aus einer kolonialen Perspektive, in denen nicht-weiße Menschen entweder gar keine Rolle spielen oder nur sehr klischeehaft dargestellt werden. Die Inhalte zu hinterfragen müsste also ein ganz grundsätzlicher Schritt sein – den auch viele Häuser schon gehen.

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Junge Menschen abholen, wo sie sind: mit zugeschnittenen Informationsangeboten

Dann bleibt noch die Kommunikation: Wer macht was wann und wo? Damit jüngere Menschen das überhaupt mitbekommen, könnte eine App oder einen Account helfen, der das Angebot aller Konzert- und Opernhäuser in Deutschland sammelt, und je nach Standort und persönlichen Interessen der Nutzerinnen und Nutzer Vorschläge macht, täglich oder wöchentlich.

Die meisten jungen Menschen entscheiden nämlich spontan, was sie am Abend machen. Immerhin merkt man, dass das Bewusstsein bei vielen Orchestern und Häusern bei diesen Fragen wächst. Und das gibt ein bisschen Hoffnung.

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