Autobiographie des Bassisten Eberhard Weber

Eine deutsche Jazz-Geschichte

Stand
AUTOR/IN
Johannes Kaiser

Buchkritik vom 23.6.2015

2007 erlitt der Jazz-Bassist Eberhard Weber einen Schlaganfall - ein Riesenschock, endete damit abrupt und unverhofft eine Erfolgskarriere. Dass Weber jetzt mit 75 Jahren seine Lebenserinnerungen vorlegt, zeigt, dass der Musiker sich keineswegs aufs Altenteil zurückgezogen hat.

Es ist eine von vielen Geschichten, die sich in der Autobiographie des deutschen Jazz-Bassisten Eberhard Weber findet. Er gilt in der Jazz-Welt als Innovator des Basses, hat ihm nie gehörte Töne entlockt, ihn als Soloinstrument in den 70er Jahren durchgesetzt. Dass Eberhard Weber mit 75 Jahren seine Erinnerungen vorlegt, mag normal erscheinen (immerhin hat er ein erfülltes Musikerleben hinter sich), ist allerdings einem dramatischen Schicksalsschlag geschuldet. 2007 erlitt der Bassist einen Schlaganfall und ist seitdem nicht mehr in der Lage, seinen Bass zu spielen. Dadurch hatte er Zeit genug, seine Autobiographie zu schreiben.

Das Buch ‚Résumé’ gleicht einer Jazz-Improvisation, das heißt, es gibt eine klare Melodielinie, das ist die Chronologie der Karriere, und es gibt zwischendurch immer wieder Improvisationen: Einschübe, Abweichungen, Anekdoten, Kommentare zur eigenen Musik sowie zur Musik der Kollegen, zum Spiel auf dem Bass, seinen technischen Anforderungen, zum Spiel in einer Band, zum Komponieren, zur Aufnahmetechnik. Eberhard Weber nimmt da kein Blatt vor den Mund und gibt zum Beispiel unumwunden zu, dass er mit dem Free Jazz nie etwas anfangen konnte.

Zwar begann alles mit dem Cello, aber für das Schulorchester stieg Weber mit 15 auf den Kontrabass um. Er heuerte in der Filmbranche an, spielte nebenher in Tanzorchestern. Als der Pianist Wolfgang Dauner dann einen Mitspieler suchte, wurde er Berufsmusiker. Der Zufall wollte es, dass das Dave Pike Set 1972 einen Bassisten suchte und Eberhard Weber verpflichtete. Der Chef des Münchner Labels ECM war von seinem Spiel so angetan, dass er ihm eine Plattenaufnahme anbot. ‚Colours of Chloé’ wurde ein fulminanter Überraschungserfolg. Ihm verdankte Weber ein Engagement beim amerikanischen Vibraphonisten Gary Burton:

1975 kam mit ‚Yellow Fields’ der nächste große Plattenerfolg. In diese Zeit fällt eine der wichtigsten Entscheidungen des Bassisten. Eberhard Weber ließ sich einen elektroakusti-schen Bass bauen mit einem langen Steg, so dass er ihn wie einen Kontrabass aufrecht stehend spielen konnte. Dadurch war es ihm möglich, an Klangfülle und Lautstärke mit den an-deren Leadinstrumenten gleichzuziehen, seiner Ansicht nach die Voraussetzung, um als Bandleader agieren zu können. 1975 gründete er Colours, begann zudem eine Karriere als Solo-Bassist. Als er die Band 1982 auflöste, suchte Jan Gabarek gerade Mitspieler für eine neue Formation. 24 Jahre hat Eberhard Weber in dessen Gruppe mitgespielt und würde das wohl auch heute noch tun, hätte es den Schlaganfall nicht gegeben.

Eberhard Weber hat seine Erinnerungen nicht mit musikalischen Details überfrachtet. Was immer er erklärt, er bleibt auch musikalischen Laien verständlich. Sympathisch ist zudem, dass er seine unzweifelhaft großen Erfolge nicht herausstreicht, eher herunterspielt. Und er beharrt darauf, auf dem Bass keineswegs technisch perfekt gewesen zu sein:

Ein Understatement, denn Eberhard Weber gehört zweifelsohne zu den Ausnahmeerscheinungen unter den Jazz-Bassisten mit einer einzigartigen, unverwechselbaren Intonation. Seine Autobiographie gewährt einen sehr gelungenen, durchaus auch amüsanten Einblick in die Jazz-Szene der letzten 50 Jahre. Ein Lesevergnügen nicht nur für Jazz-Freunde. Die Erinnerungen eines uneitlen Musikers – eine Seltenheit in einer Zeit des Starkultes.

Buchkritik vom 23.6.2015 aus der Sendung „SWR2 Cluster“

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Johannes Kaiser