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18.2.1869: „Ein Deutsches Requiem“ von Brahms wird aufgeführt

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AUTOR/IN
Georg Waßmuth

Johannes Brahms war 36 Jahre alt, als er mit dem Requiem den Durchbruch zum anerkannten Komponisten schaffte. Heute gibt es von dem Werk knapp 400 verschiedene Einspielungen auf CD.

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Ein Künstler voller Skrupel

In einem Brief an seine Frau berichtet der Geiger Joseph Joachim, wie er die Voraufführung des Deutschen Requiems im Wiener Singverein erlebt hat.

„Das Publikum hat gestern Abend mit Teilnahme zugehört, ein Teil sogar mit Weihe und Enthusiasmus während einiges zischendes Gesindel nicht den Sieg erringen konnte“

Sein Freund Johannes Brahms sei sogar vom Saal über die Treppe zum Orchester gebeten worden, um die Huldigungen des Publikums entgegen zu nehmen. Zu hören bekamen das Parkett und die Ränge allerdings nur die ersten drei Sätze des Deutschen Requiems, denn Brahms war ein Zweifler und Verzögerer von Gnaden. Ein Künstler voller Skrupel, der wie ein genialer Uhrmacher seine Werke absolut perfekt vorbereiten wollte.

Der Komponist Johannes Brahms im Porträt von Julius Allgeyer (Foto: IMAGO, Photo12/Ann Ronan Picture Library)
Der Komponist Johannes Brahms im Porträt von Julius Allgeyer

Eine wunderschöne Fotografie aus dem Jahr 1863 von Julius Allgeyer aus Karlsruhe zeigt Johannes Brahms im Porträt. Es ist in der Entstehungsphase des Requiems aufgenommen worden und man sieht mitnichten einen altväterlichen Brahms mit wallend-schlohweißem Bart, sondern einen attraktiven, jungen Mann mit kleiner Fliege und etwas Pomade im Haar.

Besuche bei Clara Schumann in Baden-Baden

In Karlsruhe verbrachte er mehrere Monate im Freundeskreis und komponierte an seinem Deutschen Requiem. Regelmäßig besuchte der Künstler seine Freundin Clara Schumann in Baden-Baden. Mehr als alle anderen gab Sie ihm Rückhalt bei seiner Arbeit.

„Johannes hat mir einige prachtvolle Sätze aus seinem Deutschen Requiem vorgespielt. Es ist voll zarter und wieder kühner Gedanken.“

Ergreifendes Statement mit Mitte Dreißig

Über Brahms' Motivation, bereits als Mittdreißiger ein Requiem zu komponieren ist viel spekuliert worden. An Todesahnungen, wie sie etwa Mozart zugeschrieben werden, litt der Kerngesunde damals jedenfalls nicht. Auch keine der beiden christlichen Kirchen hatte ihm einen Auftrag erteilt. Doch Brahms verstand sich selbst als Kunst-Messias, der einem geneigten Publikum seine Gaben darreichte und dessen kunstreligiöse Erwartungshaltung einlöste. Seine Handbibliothek, die Werke von Schopenhauer und Nietzsche umfasste, legt eine deutliche Spur.

Brahms wollte auch zu den letzten Dingen des Lebens ein ergreifendes Statement abgeben. Für den Text griff er zu seiner Hausbibel und pickte sich Zitate mit eher universellem Charakter heraus. Er wollte keine liturgische Totenmesse vorlegen, sondern allen, die Leid tragen, Trost spenden.

Kunstvoll verwobenes Werk

Vom ersten Gedanken bis zum letzten Taktstrich am Deutschen Requiem sind zehn Jahre ins Land gezogen. Selbst bei der zweiten Voraufführung im Bremer Dom war das Oeuvre noch Stückwerk und der fünfte von sieben Sätzen musste nachträglich eingefädelt werden.

Die Uraufführung der Gesamtfassung am 18. Februar 1869 im Leipziger Gewandhaus ließ selbst strengste Kritiker andächtig verstummen. Für die Aufführung braucht man einen großen, wohlklingenden Chor nebst gutem Orchester. Die beiden Solisten, Sopran und Bariton, sind kunstvoll verwoben in die Gesamtarchitektur des Werkes. So aufgeführt kann das Deutsche Requiem auch heute noch eine Sogwirkung entfalten, der sich kaum jemand entziehen kann.

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Georg Waßmuth