Jan Brachmann (Foto: SWR, Jan Brachmann)

Musikalischer Steckbrief

Jan Brachmann – Musikjournalist, Kritiker und Autor

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INTERVIEW
Ines Pasz

Jan Brachmann wurde 1972 in Greifswald geboren, hat Musikwissenschaft, Philosophie und Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin studiert. Er ist Musikjournalist, schreibt seit 2016 im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist unter anderem in SWR2 und bei Deutschlandfunk Kultur zu hören.

Wie kam die Klassik in ihr Leben?

Durch die „Kindersinfonie“, die man damals noch Leopold Mozart zugeschrieben hatte, im Schulmusikunterricht. Dann kamen Rundfunk und Fernsehen dazu, besonders Mozarts Hornkonzert in Es-Dur KV 417 hatte es mir angetan. Die Solostimme sang ich stundenlang selbstvergessen bei Autofahrten auf dem Rücksitz.

Was muss eine Aufnahme mitbringen, damit Sie sie auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen?  

Kommt auf die Insel an. Die Musik muss irgendwie zur Landschaft passen. Meistens bin ich selbst schon so voll von Musik, dass ich gar keine Aufnahme mehr brauche.

Was ist Ihr hartnäckigster Ohrwurm und warum?

Die Ohrwürmer wechseln. Meistens stammen sie aus den Stücken, die ich selbst auf dem Klavier spiele. Was nicht nur durch das Ohr, sondern auch durch die Hände in den Kopf gelangt, setzt sich dort noch hartnäckiger fest. Manchmal aber kann ich den Ohrwurm nicht identifizieren. Einer verfolgt mich in periodischen Abständen besonders ausdauernd. Ich glaube, er stammt aus irgend einem Stück von Ernest Chausson. Nur weiß ich nicht mehr, aus welchem.

Nach welcher Musik können Sie nicht schlafen?

Schlafen kann ich glücklicherweise immer. Nach dem Finale von Beethovens "Sturm"-Sonate mit Glenn Gould dauert das Einschlafen vielleicht etwas länger.

Mit welcher musikalischen Persönlichkeit würden Sie gern mal Essen gehen?

Mit dem Chirurgen, Komponisten und Brahms-Freund Theodor Billroth. Der mochte Meeresfrüchte und Ananas-Bowle besonders gern.

Was würden Sie sie fragen? 

Wie meine Heimatstadt Greifswald zu seiner Kindheit so war. Ob er noch mehr komponiert hat als die wenigen schwermütigen Liedzeilen, die in alten Briefausgaben ediert worden sind. Und was ihn so zur Musik zog, wo er doch als Mediziner und sogar als Politiker so erfolgreich war. Vielleicht auch, wenn das Gespräch sich gut entwickelt, ob er von der Verzweiflung des Kronprinzen Rudolph von Österreich etwas bemerkt hatte.

Welches war Ihre musikalisch aufregendste Begegnung?

Einmal Vladimir Horowitz mit Skrjabins dis-Moll-Etüde op. 8 Nr. 12: Dieses Senza-Pedale-Spiel in der Coda ist von unerreichter Tollkühnheit. Dann aber Schuberts "Unvollendete" und seine große C-Dur-Symphonie und Beethovens Fünfte. Beidemale mit Nikolaus Harnoncourt, beides so aufwühlend und schockierend, dass ich jeweils eine Weile Abstand von den Stücken brauchte. Da hatte jemand Dinge in der Musik entdeckt, die wirklich in ihr stecken, die zu erfahren aber nicht angenehm ist.

Adagio-presto-espressivo-furioso: Welche musikalische Bezeichnung entspricht Ihnen am meisten?

„Molto passionato, ma non troppo presto“ über der g-Moll-Rhapsodie von Brahms gefällt mir immer gut. Und Grieg schreibt einmal „Allegretto serioso“, das ist ganz großartig.

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Ines Pasz