Bremen hat gewählt – die SPD bleibt an der Regierung, und damit auch ein erschreckendes Modell für den Musikunterricht. Es fehlen MusiklehrerInnen, also fällt das Fach Musik kurzerhand in den Cluster „Ästhetische Fächer“. Nun reicht es aus, entweder Sport, Kunst oder Musik zu lernen. Damit können Kinder in die 5. Klasse kommen, ohne je eine Stunde Musik gehabt zu haben.
Schlusslicht Bremen
Bremen hat gewählt und der alte Bürgermeister wird wohl auch der neue bleiben. Andreas Bovenschulte von der SPD wird das kleinste Bundesland wahrscheinlich auch weiterhin regieren. Seine Bilanz ist eher durchwachsen. Bremen hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer, die höchste Kriminalrate und es rangiert bei Bildungsstudien seit Jahren unverändert auf dem letzten Platz.
Daran hat Bürgermeister Bovenschulte in den letzten vier Jahren nichts geändert. Das liegt – unter anderem – auch daran, dass es ausgerechnet im Land der Bremer Stadtmusikanten möglich ist, die fünfte Klasse zu erreichen, ohne je eine Stunde Musikunterricht genossen zu haben.

Cluster-Lösung
Grund hierfür ist, dass es Bremen an Musiklehrerinnen und Musiklehrern fehlt. Das ist in ganz Deutschland so, nach einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung werden über die Hälfte des Musikunterrichts an deutschen Grundschulen nicht fachgerecht erteilt. Aber auch hier ist Bremen Spitzenreiter.
Doch statt den Notstand anzupacken, geht man in der Hansestadt anders vor. Im Gegensatz zum benachbarten Niedersachen oder zu Baden-Württemberg ist Musik in Bremen einfach kein Schulpflichtfach mehr. Der Trick: Das Fach Musik wurde kurzerhand in den Cluster „Ästhetische Fächer“ zusammengefasst. Darunter versteht man in Bremen: Musik, Kunst ODER Sport. Sobald eines dieser drei Fächer unterrichtet wird, ist die Pflicht erfüllt. Musik kann auch durch Sport ersetzt werden – oder andersherum.
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Musik fördert, besagen Studien
Der Musikrat tobt und fordert die sofortige Rückkehr zu Musik als Pflichtfach, bleibt aber ungehört. Am Ende schadet Bremen sich durch diesen pädagogischen Taschenspielertrick selbst. Es ist eine inzwischen allgemeine Erkenntnis, dass Musik, Kunst oder Sport eben KEINE Nebenfächer sind.
Studien aus Finnland zeigen: Wo Musik unterrichtet wird, steigt die Bildungs-Kompetenz, besonders in jungem Alter. Musik kann zudem jene Defizite bekämpfen, die an deutschen Schulen besonders augenfällig sind. Sie fördert das Zuhören, den Gemeinschaftssinn, die Bewegung, und mathematisches und logisches Denken.
Bildungspolitik lässt Orchester im Stich
Musik einfach abzuschaffen, bedeutet – gerade in Deutschland, dem Land von Bach, Brahms und Beethoven – die Tradition einer jahrzehntelangen Selbstverständlichkeit zu beenden.
Die Bremer Philharmoniker melden gerade einen massiven Rückgang ihrer Abo-Verkäufe und ihrer Besucherinnen und Besucher. Woran das wohl liegen kann? Ein Land, das seinen Kindern keine Kultur nahebringt, kann eben nicht davon ausgehen, dass seine Erwachsenen Kultur nachfragen. Kein Orchester der Welt kann kompensieren, was die Bildungspolitik vernachlässigt.
Einfacher Ausweg
Ganz Deutschland kämpft gegen den Lehrermangel – besonders im Fach Musik. Brandenburg hat gerade die Anzahl der Studienplätze verdoppelt, Bremen streicht Musik einfach aus den Lehrplänen. Und das hat Methode.
Ich wohne in einem Randbezirk von Bremen. Unsere Hauptstraße in die Innenstadt ist seit Jahren voller Schlaglöcher. Neulich rückten endlich die Bauarbeiter an. Doch statt die Straße zu reparieren, stellten sie Schilder mit einem Tempolimit auf. Okay – aber Bildung darf keine Zone 30 werden!
Brüggemanns Klassikkommentar Die Klassikkrise ist eine Bildungskrise
Eine Studie von der Bertelsmann-Stiftung fand bereits vor der Pandemie heraus, dass an deutschen Grundschulen über die Hälfte des Musikunterrichtes ausfällt. Ein Zustand, der sich nicht allzu schnell verbessern wird, denn es fehle an Nachwuchs. Das hat mehrere Gründe, kommentiert Axel Brüggemann.
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Musikthema Dudelsack-Unterricht an der Jugendmusikschule Ludwigsburg
In Baden-Württemberg beginnt in diesem Jahr am 12. September das neue Schuljahr – auch in den Musikschulen. Die sind wichtig an der Basis: Hier können Kinder erste musikalische Erfahrungen sammeln, bevor sie später vielleicht sogar einmal auf einer Bühne stehen. Viele verschiedene Instrumente kann man erlernen – und an der Jugendmusikschule in Ludwigsburg neuerdings auch den deutschen Dudelsack, Schäferpfeife genannt. Helga Spannhake hat bei einer Unterrichtsstunde zugehört.