Musik

5. Todestag von Pierre Boulez – Erinnerungen an den Pultstar und Avantgarde-Komponisten

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Pierre Boulez gehörte neben Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono zu den herausragenden Vertretern der musikalischen Avantgarde, speziell der seriellen Musik. Er war nicht nur Komponist, sondern auch Dirigent - unter anderem dirigierte er drei spektakuläre Inszenierungen in Bayreuth. Am 5. Januar 2016 ist Pierre Boulez im Alter von 90 Jahren gestorben.

Pierre Boulez (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture-alliance / dpa -)
Pierre Boulez wurde am 26. März 1925 in Montbrison im französischen Département Loire geboren. Wäre es nach seinem Vater gegangen, wäre er Ingenieur geworden. Boulez war mathematisch so begabt, dass er vom katholischen Collège in Saint-Etienne weiter nach Lyon auf ein naturwissenschaftliches Spezial-Seminar geschickt wurde. Doch mit 18 Jahren ging er nach Paris und änderte grundlegend seine Zukunftspläne.
Der Komponist Olivier Messiaen (Foto: IMAGO, imago/ZUMA/Keystone)
So schrieb er sich im Oktober 1944 am Konservatorium in Olivier Messiaens Klasse für Harmonielehre ein. Durch Messiaen lernte Boulez die Klangwelt von Strawinsky, Bartók und der alten und neuen Wiener Schule kennen. Als erste Talentprobe sendete der französische Rundfunk seine "Trois Psalmodies" (1945) für Klavier, noch zaghafte Schülerarbeiten im Stil des Lehrers mit einem Hang zu Schönbergscher Abstraktion. Foto: Der französische Komponist Olivier Messiaen, Lehrer von Pierre Boulez
Donaueschinger Musiktage 1957: (v.li.) Nono, Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen (Foto: SWR, SWR -)
1951 war Pierre Boulez zum ersten Mal bei den Donaueschinger Musiktagen vertreten. Seit Mitte der 1950er-Jahre gehört er neben Karlheinz Stockhausen und Luigi Nono zu den herausragenden Vertretern der musikalischen Avantgarde, speziell der seriellen Musik. Dabei beurteilte er besonders in seiner ersten Schaffensphase seine eigenen Werke wie auch die Kompositionen anderer sehr kritisch. Zahlreiche Frühwerke zog er wieder zurück. Mit Gleichgesinnten störte er mehrmals Aufführungen konservativerer Kollegen. Foto: Donaueschinger Musiktage 1957: v.l.n.r. Luigi Nono , Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen
Donaueschinger Musiktage 1958: (v.li.) Hans Rosbaud, Heinrich Strobel, Pierre Boulez (Foto: SWR, SWR - Dr. Karl Widmaier)
1958 begann die Dirigenten-Karriere von Pierre Boulez: Hans Rosbaud erkrankte, Boulez sprang für ihn ein. Als ständiger Gastdirigent blieb er dem Südwestfunk-Orchester verbunden. Daneben war er unter anderem ständiger Gastdirigent des Cleveland Orchestra (1967 bis 1972), Chefdirigent des BBC Symphony Orchestra (1971 bis 1975) und der New Yorker Philharmoniker (1971 bis 1977). Bild: Donaueschinger Musiktage 1958, v.l.: Hans Rosbaud, Heinrich Strobel, Pierre Boulez
Bühnenbild von Richard Wagners Oper Parsifal bei den Bayreuther Festspielen 2006 (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - Jochen Quast)
1966 dirigierte Pierre Boulez erstmals auch bei den Bayreuther Festspielen, zuerst den "Parsifal" in der Inszenierung von Wieland Wagner. 1976 bis 1980 leitete er beim "Jahrhundertring" in der Regie von Patrice Chéreau das Orchester. Zuletzt dirigierte er erneut den "Parsifal" in der umstrittenen Inszenierung von Christoph Schlingensief.Foto: 2. Aufzug des Parsifal in der Inszenierung von Christoph Schlingensief
Pierre Boulez dirigiert das Ensemble Intercontemporain a la Cite de la Musique Paris (Foto: IMAGO, imago/Leemage)
Von 1977 an widmete sich Pierre Boulez überwiegend seiner Arbeit in dem von der französischen Regierung unterstützten "Institut de Recherche et de Coordination Acoustique/Musique" (IRCAM) im Pariser Centre Pompidou, das er bis 1992 leitete. Auch danach blieb er Präsident des im IRCAM ansässigen Ensembles Intercontemporain, das er 1976 gegründet hatte. Es gilt als eines der besten Ensembles für zeitgenössische Musik.
König Carl XVI Gustav übergibt den Polar Musik Prize an Pierre Boulez und Joni Mitchell (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Im Laufe der Jahre hat Pierre Boulez für seinen Einsatz für die Musik des 20. Jahrhunderts zahlreiche Auszeichnungen erhalten. So erhielt er 1995 unter anderem den Preis der deutschen Schallplattenkritik und wurde von der englischen Musikzeitschrift Gramophone zum "Künstler des Jahres" ernannt. 1996 wurde ihm der Berliner Kunstpreis verliehen, und die Königlich Schwedische Musikakademie zeichnete ihn mit dem Polar Music Prize als große kulturelle Persönlichkeit aus.Foto: Schwedens König Carl Gustav (links) der Übergabe des Polar Musik Prize an die Sängerin Joni Mitchell (Mitte) und Pierre Boulez (rechts).
Pierre Boulez (Foto: SWR)
Im Laufe seiner Karriere ist Pierre Boulez auch immer wieder auf Widerspruch gestoßen. Er wollte sich keinen Moden fügen, sondern nur seiner eigenen Vorstellung von musikalischer Kraft folgen.
Pierre Boulez sitzt an einem Tisch und gestikuliert mit einer Hand (Foto: SWR, SWR - Klaus Fröhlich)
Pierre Boulez war ein lustvoller Polemiker, der Kollegen schon mal zu unfähigen Dilettanten erklärte - von Ives bis Cage, von Schostakowitsch bis Scelsi. 1967 erregte Boulez Aufsehen mit einem Spiegel-Interview, in dem er die modernen Opernhäuser als ungeeignet für moderne Opern bezeichnete und als "eleganteste" Lösung vorschlug, die Häuser in die Luft zu sprengen. Über 30 Jahre später, nach den Anschlägen des 11. September 2001, wurde er deshalb in der Schweiz von der Polizei als potentieller Terrorist einem Verhör unterzogen.
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg beim Geburtstagskonzert am 18. Januar 2015 im Festspielhaus Baden-Baden (Foto: SWR)
2015 sollte der 90. Geburtstag von Pierre Boulez groß gefeiert werden. Die Stadt Baden-Baden, in der Boulez seit 1959 lebte, ernannte ihn zum Ehrenbürger. Doch das Geburtstagskonzert musste ohne ihn stattfinden, da Boulez schon zu krank war. Foto: Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg beim Geburtstagskonzert am 18. Januar 2015 im Festspielhaus Baden-Baden
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SWR