Sie war ihrerzeit eine Art Straßenfeger, die Komische Oper „Zemira e Azor“. Sie wurde 1771 von dem Belgier André-Ernest-Modeste Grétry komponiert, nun hat Nigel Lowery die Oper bei den Schwetzinger Festspielen ins Hier und Heute geholt.
Charme und Natürlichkeit
Zemira fährt das volle Geschütz auf, um Azor zu becircen. Er darf an der gedeckten Tafel sitzen, während sie ihn umflattert wie eine Küchenfee. Die Schöne zähmt das Biest, erklärt Xavier Zuber.
Er hat die Opernproduktion „Zemira e Azor“ im Schwetzinger Rokokotheater gemeinsam mit dem britischen Regisseur Nigel Lowery entwickelt. Während des Abenedessens erliegt Azor immer mehr dem Charme und der Natürlichkeit von Zemira, erzählt Zuber.
Nicht nur bei Disney: Die Schöne und das Biest
Zemira wird sich am Ende selbst in Azor verlieben. Der einst schöne Prinz wurde in ein hässliches, einsames Tier verzaubert und hält sie in seinem Palast gefangen – als Sühne für ihren Vater, der ihm eine Rose gestohlen hat.
Der Plot fußt auf dem Märchen „Die Schöne und das Biest“ und auf der französischen Komödie „Liebe für Liebe“. Ursprünglich für die Hochzeit Ludwigs XVI mit Marie-Antoinette geplant, fürchtete man bösartige Analogien zwischen dem „Biest“ und dem König – und so gingen „Zemira und Azor“ erst 1771 bei der Hochzeit des späteren Königs Karl X. über die Bühne.
Zwischen Komödie und Drama. Das künstlerische Team von „Zermia e Azor“ im Gespräch
Sogar Mozart schätzte die Musik
Die Musik stammt von André-Ernest-Modeste Grétry. Er hat mit er Opéra-Comique das französische Pendant zur italienischen Opera Buffa geschaffen. Die bestand neben Dialogen aus Arien, Duetten und Ensembles, durchbrochen von Sinfonien und Schauspielmusiken.
Zemira und Azor war dessen berühmteste Oper, sie wurde auch in Havanna und Boston gespielt, laut Zuber. Selbst Mozart hat sich die Partituren angesehen und sogar geschätzt, ergänzt der Geiger Bernhard Forck.

„Es ist immer die Gefahr, dass wir immer nur die Leuchttürme sehen. Und es ist schön, das zu sehen, was da wirklich auch um diese Leuchttürme herum war! Und wie stark diese Musik auch durchaus ist.“
Gesungen auf Italienisch
Die Figur des Dieners Ali etwa könnte charakterlich ein älterer Bruder von Mozarts Leporello sein. Zusammen mit Zemiras Vater und dessen anderen beiden Töchtern macht sich Ali auf die Suche nach der „Schönen“ – und landet unter einer profanen Autobahnbrücke.
Grétrys Musik ist ganz Rokoko, passend zum edel mit Marmor, Gold und Stuckaturen ausgestatteten Theater im Schwetzinger Schloss. Für die Mannheimer Hofoper wurde Grétrys „Opéra comique“ 1776 in eine italienische „Opera Buffa“ verwandelt, darum wird die französische Oper auf italienisch gesungen.

Schmackhaft gewürzter Ohrenschmaus
„Mattia Verazi hat die Übersetzung auf Italienisch gemacht. Und wir hören auch zwei, drei Arien, die [...] eingefügt wurden aus anderen Opern.“
So wurde Grétrys Zauberoper am Ende sozusagen selbst verzaubert. Und die vielen Köche verderben hier ausnahmsweise einmal nicht den Brei. Vielmehr wird ein schmackhaft gewürzter Ohrenschmaus draus – und dank des unterhaltsamen Regiekonzepts letztlich auch ein Augenschmaus.
Festival Die Schwetzinger SWR Festspiele 2023 – Vanitas
Unter dem Motto der „Vanitas“, der irdischen Vergänglichkeit, stehen die diesjährigen Schwetzinger SWR Festspiele: Wie setz(t)en sich Komponistinnen und Komponisten in ihrem Medium, der ebenfalls vergänglichen Musik, mit dem Thema auseinander? 47 Konzerte, Opernaufführungen und weitere Veranstaltungen erwarten das Publikum zwischen dem 29. April und dem 28. Mai 2023. SWR2 überträgt fast alle Konzerte.