Es ist ein prägendes Ereignis der klassischen Musikgeschichte: Johann Sebastian Bach wurde vor 300 Jahren Thomaskantor in Leipzig. „Ich glaube nicht, dass Bach jemals eine freie Minute gehabt hat“, sagt der Intendant der Bachwoche Ansbach, Andreas Bomba, in SWR2.
Glückliche Umstände für Bach
Es mag zunächst verrückt klingen, doch Johann Sebastian Bach war die dritte Wahl für den Posten des Thomaskantors in Leipzig. Nachdem sein Vorgänger Johann Kuhnau im Juni 1722 starb, ging der Rat der Stadt zunächst auf den berühmtesten Komponisten der damaligen Zeit zu, Georg Philipp Telemann. Dieser nutzte die Gelegenheit, um in Hamburg bessere Bedingungen auszuhandeln, und kam somit nicht nach Leipzig.
Die zweite Wahl fiel auf Christoph Graupner, dieser wäre jedoch nur gegen eine hohe Ablösesumme an den Landgrafen am Darmstädter Hof freigestellt worden, der Rat der Stadt Leipzig entschied sich also gegen Graupner, erzählt Bach-Experte Andreas Bomba.
And the winner is... - Bach wird 1723 Thomaskantor in Leipzig
Bachs Liebe zur Kirchenmusik
Die Suche ging weiter; knapp ein halbes Jahr später, im Februar 1723 fiel dann die Wahl auf Johann Sebastian Bach. Dessen Ziel war die musikalische Weiterentwicklung.
Nebst aller Freiheiten, die er in Köthen besaß, konnte er dort aufgrund des reformierten Hofes keine Kirchenmusik aufführen, somit nahm er das Angebot aus Leipzig gerne an.
Zeitwort zum 22.04.1723: Johann Sebastian Bach wird zum Thomaskantor gewählt
Mit 30.000 Einwohnern und einer Universität war Leipzig ein Zentrum der Intellektualität, der Literatur und des internationalen Austausches. Bach hatte besonders in Bezug auf die Universität sicherlich auch seine Söhne im Blick gehabt, laut Bomba.
Freigekauft vom Lateinunterricht
Bachs Alltag in Leipzig lässt sich anhand des Arbeitsvertrages rekonstruieren. Allerdings behandeln nur drei der 14 Paragraphen die Kirche und die Kirchenmusik.
Vieles beschreibt die Schulpraxis, unter anderm auch den Lateinunterricht. Davon kaufte sich Bach allerdings frei, eine übliche Praxis für die damalige Zeit.
Die vielen Kompositionen aus der Leipziger Zeit stellen insofern eine Besonderheit dar, dass sie gar nicht verpflichtend waren für Bach, er hätte sich auf bereits vorhandene Kompositionen der vorherigen Thomaskantoren stützen können.

Keine freie Minute
Bach hatte aber den Drang zum Komponieren, das bedeutete Komponieren am Montag und Dienstag, Stimmen ausschreiben am Mittwoch und Donnerstag, am Freitag wurde geprobt.
Nebst diesen Aufgaben war Bach zudem ein gefragter Orgelprüfer und er gab selbst auch Konzerte auf der Orgel. All dies neben einer großen Familie, ob Bach also jemals eine freie Minute hatte, bezweifelt Andreas Bomba.
„Gott allein die Ehre“
Die geistliche Musik hatte für Bach eine besondere Bedeutung, doch die Meinungen hierzu gehen heute stark auseinander, erklärt Andreas Bomba. Bach schrieb unter jedes Stück „Soli deo gloria“ (zu deutsch „Gott allein [sei] die Ehre“), doch ob Bach immer nur an den lieben Gott beim Komponieren dachte, sei eine Frage der Perspektive, so Bomba.
Für den Intendanten der Bachwoche Ansbach gibt es einen doppelten Bach: einen Bach der Kirchenmusik und einen Bach der Instrumentalmusik. Vor allem letzterer dürfe nicht durch ersteren verdrängt werden.
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Vor 300 Jahren, am 30. Mai 1723, tritt Johann Sebastian Bach sein Amt als Kantor der Leipziger Thomaskirche an. Das Komponieren von Kantaten gehörte seitdem zu seinen wichtigsten Dienstpflichten – für den Gottesdienst, aber auch für weltliche Anlässe. Bach-Experte Reinhard Goebel hat seine persönlichen Lieblinge ausgewählt und stellt sie in SWR2 Treffpunkt Klassik vor.
Musik von J. S. Bach bei SWR2
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Gemeinsam mit den hervorragenden Sängerinnen und Sängern des belgischen Vokalensembles Vox Luminis unter der Leitung von Lionel Meunier kombiniert das Freiburger Barockorchester Bachs frühes Magnificat mit einer Magnificat-Vertonung von Johann Kuhnau und dessen Kantate „Uns ist ein Kind geboren“.
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SWR2 Goebels Bach 300 Jahre Brandenburgische Konzerte (3/6)
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Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge
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Der erste Teil von Johann Sebastian Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ ist mit seinen 48 Stücken – teils Präludien, teils Fugen – ein ganzer Kosmos der Klaviermusik. Der Pianist Fabian Müller bringt ihn am 12. April beim Heidelberger Frühling an einem einzigen Abend zur Aufführung. Für SWR2 stellt er einige seiner Lieblingsstücke aus dem Zyklus vor – in dieser Folge Präludium und Fuge in f-Moll. Für Fabian Müller „ein furchtbar trauriges Stück, wie ein einsamer Vogel“. Aber, wie meist bei Bach, kennt die Musik auch hier, für Momente, Hoffnung.