Musikgespräch

Nur dritte Wahl vor 300 Jahren: Bach wird Thomaskantor

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INTERVIEW
Sebastian Kiefl

Es ist ein prägendes Ereignis der klassischen Musikgeschichte: Johann Sebastian Bach wurde vor 300 Jahren Thomaskantor in Leipzig. „Ich glaube nicht, dass Bach jemals eine freie Minute gehabt hat“, sagt der Intendant der Bachwoche Ansbach, Andreas Bomba, in SWR2.

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Glückliche Umstände für Bach

Es mag zunächst verrückt klingen, doch Johann Sebastian Bach war die dritte Wahl für den Posten des Thomaskantors in Leipzig. Nachdem sein Vorgänger Johann Kuhnau im Juni 1722 starb, ging der Rat der Stadt zunächst auf den berühmtesten Komponisten der damaligen Zeit zu, Georg Philipp Telemann. Dieser nutzte die Gelegenheit, um in Hamburg bessere Bedingungen auszuhandeln, und kam somit nicht nach Leipzig.

Die zweite Wahl fiel auf Christoph Graupner, dieser wäre jedoch nur gegen eine hohe Ablösesumme an den Landgrafen am Darmstädter Hof freigestellt worden, der Rat der Stadt Leipzig entschied sich also gegen Graupner, erzählt Bach-Experte Andreas Bomba.

Bachs Liebe zur Kirchenmusik

Die Suche ging weiter; knapp ein halbes Jahr später, im Februar 1723 fiel dann die Wahl auf Johann Sebastian Bach. Dessen Ziel war die musikalische Weiterentwicklung.

Nebst aller Freiheiten, die er in Köthen besaß, konnte er dort aufgrund des reformierten Hofes keine Kirchenmusik aufführen, somit nahm er das Angebot aus Leipzig gerne an.

Mit 30.000 Einwohnern und einer Universität war Leipzig ein Zentrum der Intellektualität, der Literatur und des internationalen Austausches. Bach hatte besonders in Bezug auf die Universität sicherlich auch seine Söhne im Blick gehabt, laut Bomba.

Freigekauft vom Lateinunterricht

Bachs Alltag in Leipzig lässt sich anhand des Arbeitsvertrages rekonstruieren. Allerdings behandeln nur drei der 14 Paragraphen die Kirche und die Kirchenmusik.

Vieles beschreibt die Schulpraxis, unter anderm auch den Lateinunterricht. Davon kaufte sich Bach allerdings frei, eine übliche Praxis für die damalige Zeit.

Die vielen Kompositionen aus der Leipziger Zeit stellen insofern eine Besonderheit dar, dass sie gar nicht verpflichtend waren für Bach, er hätte sich auf bereits vorhandene Kompositionen der vorherigen Thomaskantoren stützen können.

Kupferstich der Thomasschule aus dem Jahre 1723 (Foto: IMAGO, IMAGO / Gemini Collection)
Kupferstich der Thomaskirche (r.) und -schule (l.) aus dem Jahre 1723. Hier war Bach der 17. Thomaskantor.

Keine freie Minute

Bach hatte aber den Drang zum Komponieren, das bedeutete Komponieren am Montag und Dienstag, Stimmen ausschreiben am Mittwoch und Donnerstag, am Freitag wurde geprobt.

Nebst diesen Aufgaben war Bach zudem ein gefragter Orgelprüfer und er gab selbst auch Konzerte auf der Orgel. All dies neben einer großen Familie, ob Bach also jemals eine freie Minute hatte, bezweifelt Andreas Bomba.

„Gott allein die Ehre“

Die geistliche Musik hatte für Bach eine besondere Bedeutung, doch die Meinungen hierzu gehen heute stark auseinander, erklärt Andreas Bomba. Bach schrieb unter jedes Stück „Soli deo gloria“ (zu deutsch „Gott allein [sei] die Ehre“), doch ob Bach immer nur an den lieben Gott beim Komponieren dachte, sei eine Frage der Perspektive, so Bomba.

Für den Intendanten der Bachwoche Ansbach gibt es einen doppelten Bach: einen Bach der Kirchenmusik und einen Bach der Instrumentalmusik. Vor allem letzterer dürfe nicht durch ersteren verdrängt werden.

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