Musikstück der Woche vom 14. August 2017

Mozarts Hommage an Haydn

Stand
AUTOR/IN
Antje Tumat und Doris Blaich

Wolfgang Amadeus Mozart: Streichquartett G-Dur KV 387

Mozart buckelt nicht – und er lässt sich auch nicht einschüchtern. Seinem großen Vorbild Haydn begegnet er, indem er dessen Musik kompositorisch noch um ein Quentchen überbietet: Zum Beispiel im Streichquartett G-Dur KV 387, unserem Musikstück der Woche. Das Quatuor Cambini aus Paris spielte es bei dem Ettlinger Schlosskonzert des SWR vom 30.03.2014.

Königin Streichquartett

Das Streichquartett ist die Königsdisziplin der Kammermusik. Gekrönt wurde es Ende des 18. Jahrhunderts in Wien; seither widmen sich Komponisten dieser Gattung nur mit größter Sorgfalt, oft auch mit Ehrfurcht.

Joseph Haydn setzte mit seinen berühmten sechs Quartetten op. 33 einen Standard, der noch heute als Paradigma für Perfektion und Balance der musikalischen Klassik schlechthin gilt. Der deutlich jüngere, mit ihm befreundete Mozart reagierte mit seinen sechs Haydn gewidmeten Quartetten (1782–1785) kompositorisch auf sein großes Vorbild.

Immer noch eins drauf

Das Quartett in G-Dur KV 387 – unser Musikstück der Woche – ist das Eröffnungsstück dieser Serie. Trotz vieler Anspielungen auf Haydns Quartette geht es Mozart in seinem Zyklus nicht um die Nachahmung von Haydns Werken – sie sind vielmehr als Hommage zu begreifen, mit der er sein Vorbild auf Augenhöhe noch zu übertreffen sucht.
Mozart überschreitet in seinen Quartetten die Grenzen der zeitgenössischen Ästhetik – und er geht zugleich auch über das Auffassungsvermögens der damaligen Hörer hinaus. Er arbeitete hart an diesem Zyklus und bezeichnete ihn als „il frutta di una lunga, e laboriosa fatica“ – die Frucht einer intensiven und ermüdenden Arbeit, die schließlich belohnt werden sollte: Haydn lobte die ihm gewidmeten Quartette Wolfgangs Vater Leopold Mozart gegenüber: „Ich sage ihnen vor gott, als ein ehrlicher Mann, ihr Sohn ist der größte Componist, den ich von Person und den Nahmen nach kenne: er hat geschmack, und über das die größte Compositionswissenschaft“.

Musik über Musik

Berühmt geworden ist an diesem Quartett vor allem das Finale. Es beginnt mit einem streng polyphonen Satz, der in seiner komplexen Mehrstimmigkeit an alte kompositorische Vorbilder angelehnt ist. Mozart beschäftigte sich zur Zeit der Komposition an diesem Quartett intensiv mit Johann Sebastian Bachs Tonkunst. Doch in diesem Finale bleibt es nicht bei einer Fuge als Nachahmung alter Vorbilder: Mozart kombiniert die polyphone, stark regelgeleitete Setzart vielmehr mit freien, tänzerischen Thema, das sich dem ersten Fugato anschließt.

Nach diesem Prinzip, der Integration von eigentlich Gegensätzlichem, wird das gesamte Finale aufgebaut: Fugen und Sonatensatz, ernsthafter und beinahe trivialer Tonfall, Kontrapunktik (mehrstimmig komplexer Satz) und Homophonie (einstimmiger Satz mit Begleitung), frei fließende oder rhythmisch profilierte Stimmbewegungen – all dies wird von Mozart in einer für zeitgenössische Ohren überraschend neuartigen Weise so kombiniert, dass es letzlich doch ein großes Ganzes ergibt. Durch die Vielfalt der musikalischen Mittel, die Mozart hier so virtuos entfaltet, mutet dieses Finale nachgerade wie ein Satz über das Wesen des Komponierens selbst an; und über die Unendlichkeit der in ihm hervortretenden Möglichkeiten musikalischen Ausdrucks. 

Quatuor Cambini-Paris

„Leidenschaft“ ist wohl derjenige Begriff, der die vier jungen Musiker des Quatuor Cambini-Paris am treffendsten beschreibt: die Leidenschaft für die historischen Instrumente, die die Musiker als Mitglieder einiger der besten Alte-Musik-Ensembles-Frankreichs spielen (darunter Les Talens Lyriques, Le Cercle de L’Harmonie und L’Orchestre de Champs-Élysées); die Leidenschaft, mit der sie sich auf die Suche nach unbekannten Partituren machen und diese Musik neu entdecken; die Leidenschaft für die Formation des Streichquartetts als beste Möglichkeit, ihre gemeinsame Musikalität zum Ausdruck zu bringen.

Giuseppe Maria Cambini (ca. 1746-ca. 1825), Geiger und Komponist mit einem höchst abenteuerlichen Lebensweg, ist der Namenspatron des Quartetts – was das Interesse der Musiker widerspiegelt, die stilistische Vielfalt der Klassik und Romantik zu erkunden. Zu Unrecht vergessene französische Komponisten wie Jadin, David oder Gouvy zählen denn auch ebenso zum Repertoire des Quartetts wie die bekannten Meister: Haydn, Mozart, Beethoven und Mendelssohn etwa.

Das Quartett ist bei zahlreichen Festivals und Kammermusikreihen in ganz Europa zu Gast: unter anderem beim Centre du Musique Baroque Versailles, beim Festival Aix-en-Provence, im Pallazzetto Bru Zane in Venedig, im Brüsseler Concertgebouw, im Marmorpalast St. Petersburg und im Louvre in Paris. Seine CD- und DVD-Einspielungen sind vielfach preisgekrönt und bringen wenig bekannte Musik zum Klingen: Quartette von Devienne, Vachon und Cambini, von Jadin und Félicien David.

Das Quatuor Cambini (Julien Chauvin und Karine Crocquenoy - Violine, Pierre Eric Nimylowycz - Viola, Atushi Sakaï, Violoncello) ist Artist in Residence bei der Singer-Polignac Stiftung Paris und wird von der Swiss Life Foundation gefördert. Eine enge Zusammenarbeit verbindet die Musiker mit dem Zentrum für französische Musik der Romantik in Venedig.

Stand
AUTOR/IN
Antje Tumat und Doris Blaich