Musikstück der Woche mit dem Staatsorchester Rheinische Philharmonie

Nikolaj Rimskij-Korsakow: Capriccio espagnol op. 34

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AUTOR/IN
Felix Werthschulte

Schon die ersten Orchesterwerke Nikolaj Rimskij-Korsakows wurden vom russischen Publikum emphatisch gefeiert. Auch später verstand es kaum jemand so gekonnt wie er, die Klangfarben des Orchesters auszureizen.

Während der Komponist vor allem als Schöpfer einer nationalrussischen Musik Furore machte, führt sein brillantes Capriccio espagnol op. 34 in die von der Sonne erhitzte Atmosphäre der Iberischen Halbinsel. Die Rheinische Philharmonie unter der Leitung von Rubén Gimeno führte es am 7.2.2017 in der Koblenzer Rhein-Mosel-Halle auf. 

Ein Häuflein mit mächtiger Wirkung

Seine adeligen Eltern sahen für Nikolaj Rimskij-Korsakow, der am 18. März 1844 im westrussischen Tichwin geboren wurde, eine wenig künstlerische, sondern eher von Routine und Drill geprägte Karriere bei der russischen Marine vor. Doch der äußerst kreative und musisch begabte junge Mann ließ nicht locker und verfolgte seine musikalischen Ambitionen beharrlich weiter.

1862 schloss er sich mit Mili Balakirew, Alexander Borodin, César Cui und Modest Mussorgky zur "Gruppe der Fünf" zusammen, die auch "Das mächtige Häuflein" genannt wurde. Diese avantgardistische Künstlergruppe hatte nichts weniger als die Entwicklung einer ausdrücklich russischen Tonsprache im Sinn. Rimskij-Korsakow, der ab 1871 als Professor am Sankt Petersburger Konservatorium wirkte, wurde zu einem ihrer einflussreichsten Mitglieder. 

Faible für das Mediterrane

Die Komposition ausgerechnet eines "Capriccio über spanische Themen" im Sommer 1887 wirkt im Kontext dieser Begeisterung für die eigene Nationalität ziemlich überraschend, zumal Rimskij-Korsakow – abgesehen von einem Kurztrip während seiner Marinezeit – die Iberische Halbinsel niemals besucht hatte. Die Themen für sein Orchesterwerk hatte er vielmehr einer sehr beliebten Ausgabe spanischer Volkslieder und -tänze entnommen.

Porträt Nikolai Rimski-Korsakow (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Nikolai Rimski-Korsakow

Ähnlich wie Karl May von den Berichten über die Landschaft und die Bewohner Mittelamerikas fasziniert war und die Erzählungen für seine eigenen Werke zu nutzen wusste, zog wohl die unmittelbare Lebendigkeit und Strahlkraft der spanischen Folklore Rimskij-Korsakow in ihren Bann. Keinesfalls war er der erste russische Tondichter mit einem Faible für das mediterrane Westeuropa: Sieben Jahre zuvor hatte Peter Tschaikowsky sein "Capriccio italien" komponiert, und bereits 1845 hatte Michail Glinka ein "Capriccio brillante" über ein spanisches Tanzlied vollendet. Glinka gehörte wiederum zu den größten Idolen des "Mächtigen Häufleins". 

Trubel zum Sonnenaufgang

Auch im "Capriccio espagnol" bildet ein spanischer Tanz den Rahmen für die insgesamt fünfteilige Komposition: Die Alborada, ursprünglich zur Begrüßung des Sonnenaufgangs von Dudelsäcken und Trommeln gespielt, erklingt hier zunächst als kurze, turbulente Einleitung, dann mit veränderter Instrumentation und Tonart in der Mitte und noch einmal zum krönenden Abschluss des Finales. Der äußerst knappen, aber deshalb nicht minder mitreißenden Eröffnung schließt sich eine Folge von langsamen Variationen an. Unter anderem mit dem Klang der Horngruppe, der Violinen und des Englischhorns wird die wehmütige Melodie differenziert ausgeleuchtet.

Der vierte Satz mit dem Titel Scena e canto gitano überzeugt ebenfalls durch seine überaus einfallsreiche Instrumentierung. Rimskij-Korsakow schreibt unter anderem für Violine, Klarinette und Harfe virtuose, kadenzartige Solopassagen vor, ehe die Musik in eine wehmütig kreisende, von Pizzicati untermalte Zigeunerweise übergeht. Ein auftrumpfender Fandango asturiano im schwungvollen Dreiertakt leitet dann den letzten Abschnitt des Capriccios ein. 

"Ein vortreffliches Werk ..."

Rimskij-Korsakow selbst wusste genau um die Stärken seines Werks. "Die – vorwiegend tänzerischen – spanischen Themen boten mir reichlich Gelegenheit zu den verschiedensten orchestralen Effekten", heißt es in seiner Autobiografie. Gleichzeitig verwahrte sich der Komponist aber auch mit Stolz gegen jeden Verdacht, mit seinem Opus 34 lediglich gutes Handwerk als Arrangeur abgeliefert zu haben: "Die Meinung der Kritiker und des Publikums, das 'Spanische Capriccio' sei ein vortrefflich instrumentiertes Stück, ist freilich nicht richtig: Das Capriccio ist ein vortreffliches Werk für Orchester.“ Bei der Uraufführung am 12. Oktober 1887 in Sankt Petersburg sollen die Musiker schon während der Proben bei jeder Fermate applaudiert haben, weshalb der geschmeichelte Rimskij-Korsakow sein Stück dem Orchester auch widmete. 

Staatsorchester Rheinische Philharmonie

Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie ist eines der drei Sinfonieorchester des Landes Rheinland-Pfalz. Seine Wurzeln lassen sich bis zur Gründung der Koblenzer Hofkapelle im Jahr 1654 zurückverfolgen. Einer der bekanntesten Musikdirektoren des 19. Jahrhunderts war der Komponist Max Bruch. Die jüngere Geschichte des Sinfonieorchesters begann 1955 mit der Gründung eines eingetragenen Vereins. Seit 1962 hat das Orchester mit der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz einen festen Konzertort. Regelmäßig sind die Musiker bei Sinfoniekonzerten im nördlichen Rheinland-Pfalz sowie im In- und Ausland zu erleben. Das Staatsorchester ist zudem für die Musiktheaterproduktionen des Theaters Koblenz zuständig.

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Felix Werthschulte