Musikstück der Woche

Respighis „Il Tramonto“ mit SWR2 New Talent Valerie Eickhoff und Adelphi Quartett

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AUTOR/IN
Christiana Nobach

Der italienische Komponist Ottorino Respighi hat in seiner Komponistenkarriere so etwas wie ein klassisches Ein-Hit-Wunder geliefert, wenn man ihn auf sein bekanntestes Stück, die „Pini di Roma“ von 1924 reduziert. Selten aber hört man Respighis Kammermusik, was unseren Blick auf sein Werk etwas verzerrt. Eine Besonderheit unter seinen Kammermusikwerken ist das lyrische kleine Poem über den Sonnenuntergang: „Il Tramonto“.

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Romantische Verse von Percy Shelley

Respighis „Pini di Roma“ (Pinien von Rom) werden auch heute noch in Konzertprogrammen rauf und runter gespielt und hatten einen ebenfalls erfolgreichen Vorgänger, die „Fontane di Roma“ (Römische Brunnen). Zur Trilogie ergänzte der Komponist 1928 seine römischen Werke mit den „Feste romane“.

Respighi wollte auf diese Art das Problem aller um 1880 geborenen italienischen Komponisten lösen, nämlich das große musikgeschichtliche Erbe aufzuarbeiten und damit die Anknüpfung an die instrumentalen italienischen Traditionen des 16. und 17. Jahrhunderts und damit auch an die sinfonischen Traditionen zu vollziehen.

Er blieb jedoch letztlich dem Orchesterstil von Claude Debussy, Richard Strauss und Nikolai Rimski-Korsakow, später von Igor Strawinsky verhaftet. Den tiefgreifenden Wandlungen der Jahre um den Ersten Weltkrieg folgte er nicht.

Respighis unbekannte Seite – Kammermusik

Die meisten seiner anderen Werke werden nur selten gespielt. Eine Einschätzung seines Œuvre wird dadurch gerade beim Publikum ziemlich beeinträchtigt. Als gelernter Streicher (Violine und Viola) schrieb er eine Reihe von Streichquartetten, die sich erheblich von seinem üppig überbordenden sinfonischen Stil unterscheiden.

Ein kühler, subtiler und geschmackvoller Diskurs der vier Instrumente steht im Vordergrund, und in dem reifen Quartetto dorico von 1924 scheint seine Beschäftigung mit der Gregorianischen Musik, ein Sonderaspekt in Respighis Schaffen, an vielen Stellen durch.

Seine Quartette sind lange Zeit unbekannt geblieben, nicht jedoch sein Poemetto lirico „Il Tramonto“ (Der Sonnenuntergang) für Mezzosopran und Streichquartett nach Versen des britischen Romantikers Percy Bysshe Shelley, das eines seiner repräsentativsten Werke für diese Gattung geblieben ist. Die unterschwellige Dramatik der Mezzosopran-Partie hat das das Herz vieler Sängerinnen erobert und sicherte damit dem Werk einen Platz im Repertoire.

Schwellenwerk zwischen Tod und Leben

Das Lied erzählt die Geschichte eines jungen Liebespaares, deren Wunsch, gemeinsam den Sonnenuntergang zu betrachten, durch den plötzlichen Tod des Mannes unerfüllt bleibt. Isabella wandelt seitdem freudlos und ruhelos auf der Erde dahin und wünscht sich nur, dass einst auf ihrem Grabstein das Wort „Frieden“ stehen möge.

Während Respighi in den Augustwochen des Jahres 1914 dieses Werk schrieb, brach der Erste Weltkrieg aus. Unter dem Eindruck des Weltgeschehens wirkt die Komposition introvertiert und beschwörend, ein Schwellenwerk zwischen Nacht und Licht, Tod und Leben. Die intime kammermusikalische Besetzung mit Streichquartett und Singstimme war um 1914 noch völlig unüblich, nur Arnold Schönberg hat in seinem 2. Streichquartett fis-Moll die Singstimme mit dem Quartettsatz verknüpft.

Respighi und den frühen Schönberg verband die unterschwellige Fin-de-Siècle-Atmosphäre ihrer Werke zu dieser Zeit. Die Uraufführung von „Il Tramonto“ mit Chiarino Fino Savio fand im Mai 1915 im Konzertsaal der Accademia di Santa Cecilia in Rom statt. Im selben Monat trat Italien in den Ersten Weltkrieg ein.

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Christiana Nobach