Musikstück der Woche

Dimitri Ashkenazy spielt Niels Wilhelm Gades 4 Fantasiestücke op. 43

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AUTOR/IN
Christiana Nobach

„Sie sind ein trefflicher Poet!“ sagte Robert Schumann zu seinem Kollegen Niels Wilhelm Gade aus Dänemark. Ein Poet mit Komponistenfeder und mit dem vielbeschriebenen „nordischen Ton“, den Schumann in Gades Musik so schätzte.

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Gade entdecken!

Niels Wilhelm Gade (1817 - 1890) hat lange in Leipzig gelebt und war eng mit Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann befreundet. Seine Bekanntheit gründet sich hauptsächlich auf seine Orchestermusik, aber auch seine Kammermusik und seine Klavierwerke können sich durchaus mit denen der befreundeten Komponisten messen.

Gades Kammermusik wurde in den letzten 20 Jahren regelrecht wiederentdeckt und erfreut sich seitdem einer steigenden Wertschätzung. Seine Vier Fantasiestücke op. 43 für Klarinette und Klavier aus dem Jahr 1864 sind ein beliebtes und vielgespieltes Repertoirewerk geblieben.

Gade komponierte sie für den dänischen Klarinettisten Mozart Petersen (1817 - 1874), der von 1832 bis zu seinem Tod Mitglied der Königlichen Kapelle Kopenhagen war. Neben Schumanns gleichnamigem Opus 73 gehören die Fantasiestücke von Gade bis heute zum unverzichtbaren Repertoire für alle Klarinettisten.

„Nordischer Ton“

Stilistisch hält sich Gade zu Beginn seiner Karriere zunächst an eine nationalromantische Kompositionsweise, einen geheimnisvollen „Nordischen Ton“, der melodisches Material aus dänischen Volksweisen schöpft. Herauszuhören ist dies z. B. in seiner Ersten Symphonie oder in der Ossian-Ouvertüre op. 1.

Während der Leipziger Jahre (ab 1843/44) gerät Gade - nicht zuletzt als einflussreicher Gewandhaus-Kapellmeister und Pädagoge am Konservatorium - unter den Einfluss eines in Europa weitverbreiteten Stils, der vor allem durch Mendelssohn, aber auch Schumann geprägt wurde.

In seinen Werken zeigen sich jetzt klassisch inspirierte musikalische Formen und eine reinere Dur-Moll-harmonische Tonsprache. Obwohl sich sein Personalstil ab 1850 kaum mehr änderte, arbeitete er weiter an einer farbenreichen Instrumentation und seinen thematisch-motivischen Techniken, besonders in seinen sehr erfolgreichen Streicher-Serenaden und Konzertstücken.

Tiefromantische Charakter- und Stimmungsbilder

Anders als Schumann verzichtet Gade in seinen Fantasiestücken op. 43 auf jegliche tonartenbezogenen und motivischen Verbindungen zwischen den Einzelsätzen. Die wunderbaren Charakter- und Stimmungsbilder stehen jedes für sich und geben einen guten Eindruck von den souveränen handwerklichen Qualitäten des Komponisten.

Stilistisch angelehnt an Schumann und Mendelssohn, zeigen sie doch auch eine ganz individuelle, unverwechselbare poetische Virtuosität. Sie sind alle in einer unterschiedlich komplexen Liedform aufgebaut, die in fast allen Fällen aus einer führenden Melodiestimme in der Klarinette und einer Begleitung im Klavier besteht.

Der Klaviersatz ist transparent und filigran gestaltet und gibt der Klarinettenstimme viel Freiraum zur künstlerischen Entfaltung. Gade leistete hiermit einen wichtigen Beitrag, um die Klarinette zu dieser Zeit als kammermusikalisches Soloinstrument zu etablieren.

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Christiana Nobach