Musikstück der Woche vom 23.07. bis 29.7.2012

Paganini on Tour

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Aus seinem ersten Violinkonzert blitzt bis heute jene teuflisch schwierige und geniale Virtuosengeste heraus, die Niccolò Paganini zur Legende werden ließ.1829 tourte er damit nach Karlsruhe.

Die Badische Staatskapelle feierte 2012 ihr 350-jähriges Jubiläum und erinnerte in einem Konzert am 6.2.2012 an den Besuch des 'Teufels-Geigers' Paganini vor knapp 200 Jahren. Solist ist Augustin Hadelich, der auch eine eigene Kadenz zu diesem virtuosen Werk spielt. Es dirigiert Johannes Willig.

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Paganini in Karlsruhe

In seinem Artikel "Der Teufel auf Tournee" beschreibt Kurt Tucholsky 1914, wie Paganini 1828 in Wien eintraf. Aber nicht nur das: er schildert, wie Paganini halb Biedermeier-Europa verrückt machte mit seiner Kunst, Geige zu spielen und aufzutreten. Denn er war, so Tucholsky, "doch das Fanal, das Feuerzeichen einer ganzen Generation, mochte man jubeln, blasiert sein, pfeifen – er war da und man mußte ihn beachten". Was Tucholsky herausstreicht ist dieser Hauch von Freiheit, die sich in der Person des genialen Geigers manifestiert und die einen Großteil jener Faszination ausgemacht haben muss, die ihn umgab. "Der Mann hat nicht allzuviel Geschriebenes hinterlassen, ein paar Kompositionen – knapp hundert –, keine Korrespondenz liegt da – – aber er hat gelebt." Und wie, möchte man hinzufügen. In den 1830er Jahren bereiste Paganini Europa und hinterließ auf seinen Tourneen eine Spur des Rausches, möchte man meinen. Nichts und niemand blieb von seiner Kunst unberührt, und seine Person schürte Fantasien und Sehnsüchte, die sich in allerhand Skurrilem ausdrücken. Paganini war - mit Tucholskys Worten - ein "Fetisch, ein Konzertschreck, ein Vitzliputzli der zahlenden Bourgeoisie". Als solcher traf er 1829 das erste Mal am badischen Hoftheater in Karlsruhe ein, im Gepäck sein erstes Violinkonzert D-Dur und einige Bravourstücke.

Sein D-Dur-Konzert schrieb Paganini in der Zeit um 1817/ 1818. Es ist eines der berühmtesten und virtuosesten Werke der Violinliteratur geworden und entstand natürlich aus Paganinis Bedürfnis heraus, seine extravagante und überbordende Virtuosität mit einem eigens 'maßgeschneiderten' Werk unter Beweis stellen zu können. Eine zeitgenössische Rezension aus Venedig beschriebt das Werk mit folgenden Worten: "An den schwierigsten Stellen scherzt er mit all jenen Griffen, die keine andere Hand wagen würde, in der Zartheit wird er zu einem unwiderstehlichen Verführer, im Schwung der Phantasie wirbelt er einen Strudel der seltsamsten Kunstgriffe, schlägt jedes Hindernis nieder, jede Begrenzung und erträgt keine Gesetze."

Augustin Hadelich - Violine

Augustin Hadelich wurde 1984 als Sohn deutscher Eltern in Italien geboren, und studierte an der New Yorker Juilliard School bei Joel Smirnoff. Er spielt auf der "Ex-Kiesewetter" Stradivari von 1723.

Der junge Geiger ist vor allem in den USA erfolgreich: Regelmäßig wird er in der Presse für seinen "prächtigen Ton" (New York Times), seine "poetische Kommunikation" (Washington Post), seinen "virtuosen Klang" (The New Yorker) und seine "makellose Intonation" (Vancouver Sun) gelobt. Längst hat er sich auf der höchsten Ebene der jungen Geigergeneration etabliert. In Europa konzertierte Augustin Hadelich mit dem Badischen Staatsorchester Karlsruhe, der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern, der Dresdner Philharmonie, den Nürnberger Philharmonikern, dem Helsinki Philharmonic Orchestra, dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo und Kammerorchestern in Budapest, Köln, Hamburg und Luzern.

Weltweit ist er u. a. mit dem Atlanta Symphony Orchestra, Baltimore Symphony Orchestra, Cincinnati, Cleveland Orchestra, Houston Symphony Orchestra, Indianapolis Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic, Pacific Symphony Orchestra, Seattle Symphony, Vancouver Symphony Orchestra, Orchesta Sinfónica Nacional de México, Tokyo Symphony aufgetreten und hat mit Dirigenten wie Lionel Bringuier, Justin Brown, Alan Gilbert, Hans Graf, Giancarlo Guerrero, Miguel Harth-Bedoya, Günther Herbig, Yakov Kreizberg, Hannu Lintu, Kazushi Ono, Peter Oundjian, Vasily Petrenko, Christoph Poppen, Larry Rachleff, Stefan Sanderling, Michael Stern, Yan-Pascal Tortelier und Mario Venzago zusammengearbeitet.

Augustin Hadelich wurde 2011 mit einem Fellowship des Borletti-Buitoni Trusts ausgezeichnet, bekam 2009 in New York den prestigeträchtigen "Avery Fisher Career Grant" verliehen und gewann 2006 den Internationalen Violinwettbewerb von Indianapolis.

Badische Staatskapelle Karlsruhe

Als eines der ältesten Orchester Deutschlands und sogar weltweit kann die Badische Staatskapelle auf eine überaus reiche und gleichzeitig gegenwärtige Tradition zurückblicken. 1662 als Hofkapelle des damals noch in Durlach residierenden badischen Fürstenhofes gegründet, entwickelte sich aus dieser Keimzelle ein Klangkörper mit großer nationaler und internationaler Ausstrahlung. Berühmte Hofkapellmeister wie Franz Danzi, Hermann Levi, Otto Dessoff und Felix Mottl leiteten zahlreiche Ur- und Erstaufführungen, z. B. von Hector Berlioz, Johannes Brahms und Béla Bartók, und machten Karlsruhe zu einem der Zentren des Musiklebens. Neben Brahms standen Richard Wagner und Richard Strauss gleich mehrfach am Pult der Hofkapelle; Niccolò Paganini, Clara Schumann und viele andere herausragende Solisten waren gern gehörte Gäste. Hermann Levi führte in den 1860er Jahren die ersten regelmäßigen Abonnementkonzerte des damaligen Hoforchesters ein, die bis heute als Sinfoniekonzerte der Badischen Staatskapelle weiterleben.
Generalmusikdirektoren wie Joseph Keilberth, Christof Prick, Günther Neuhold und Kazushi Ono führten das Orchester in die Neuzeit, ohne die Säulen des Repertoires zu vernachlässigen: regelmäßig fanden sich zeitgenössische Werke auf dem Programm; Komponisten wie Werner Egk, Michael Tippett oder Matthias Pintscher standen sogar selbst vor dem Orchester, um ihre Werke aufzuführen.
Der seit 2008 amtierende Generalmusikdirektor Justin Brown steht ganz besonders für die Pflege der Werke Wagners, Verdis und Strauss' sowie für einen abwechslungsreichen Konzertspielplan.

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Kerstin Unseld