Musikstück der Woche mit Georg Siebert und dem Gottesauer Ensemble

Johann Melchior Molter: Konzert für Oboe, Streicher und Basso continuo g-Moll

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AUTOR/IN
Thomas Seedorf
Kerstin Unseld

Musikstück der Woche vom 26.06.2017

Hofmusik vom Markgrafenhof in Karlsruhe zu entdecken ist das, was man eine musikalische Schatzsuche nennen könnte. Im barocken Asamsaal des Ettlinger Schlosses nahm der Barockoboist Georg Siebert 2014 das g-Moll-Konzert des badischen Hofkapellmeisters Johann Melchior Molter gemeinsam mit dem Gottesauer Ensemble auf.

Wirkungsort Carols-Ruhe

Johann Melchior Molter (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)

Johann Melchior Molter kam zweimal nach Karlsruhe: Mit gerade mal 21 Jahren kam er als Violinist 1717 in den Dienst des Markgrafen Carl Wilhelm von Baden-Durlach, der zu dieser Zeit in die benachbarte, von ihm gerade neu gegründete Residenz Carols-Ruhe umgezogen war. Am 23. April 1722 trat der junge Geiger und Komponist dann seinen Dienst als markgräflicher Kapellmeister im alten Schloss zu Durlach und in der neuen Residenz in Karlsruhe an, wo er mit nur 26 Jahren für die unterschiedlichsten musikalischen Aktivitäten in den Bereichen Kirche, Theater und Kammer allein verantwortlich war.

Politische Wirren und persönliche Veränderungen ließen Molter die badische Markgrafen-Stadt 1733 verlassen, aber 10 Jahre später kehrte er erneut nach Karlsruhe zurück. Seit 1743 leitete Molter ein Orchester und unterrichtete am Karlsruher Gymnasium. Außerdem komponierte er viel und als sich der aufgeklärte, vielfältig interessierte Markgraf Carl Friedrich entschloss, 1746 seiner Hofmusik wieder mehr Glanz zu verleihen, betraute er Molter mit der erneuten Einrichtung einer Hofkapelle. Bis zu seinem Tod 1765 sollte Molter dieses Kapelle leiten, und während dieser Zeit gelangte die Karlsruher Hofmusik zu erneuter Blüte, die Molter selbst durch zahlreiche Kompositionen - Symphonien, Konzerte, Kammermusik - bereicherte, aber auch Werke anderer zeitgenössischer Komponisten aufführte.

Das Erbe Molters

Zu den Karlsruher Musikhandschriften, die in der Badischen Landesbibliothek verwahrt werden, gehören über 3000 Kompositionen aus der Zeit vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Den historischen Kernbestand bildet das Repertoire der Karlsruher Hofmusik aus der Mitte des 18. Jahrhunderts: Mit etwa 400 Handschriften ist der Nachlass des langjährigen badischen Hofkapellmeisters Molter, dessen Werke mit wenigen Ausnahmen nur in der Badischen Landesbibliothek überliefert sind, darin der größte zusammenhängende Teilbestand.

In großer Zahl überliefert sind die Handschriften vieler Instrumentalwerke Molters, deren größer Teil in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe verwahrt wird (und in digitalisierter Form auch online allgemein zugänglich ist). Neben rund 170 Sinfonien stellen Solokonzerte für unterschiedliche Instrumente die größte Werkgruppe innerhalb von Molters Instrumentalschaffen war. Die meisten dieser Konzerte dürften für virtuose Hofmusiker in Karlsruhe und in Eisenach entstanden und Rahmen der höfischen Musikpraxis aufgeführt worden sein.

Fünfmal für Oboe

Für das Violoncello hat Molter nur ein Konzert komponiert, andere Instrumente hat er deutlicher reicher bedacht. Fünf Konzerte komponierte er für die Oboe, für die Flöte hat er sogar acht Solokonzerte geschrieben, darunter das hier eingespielte in G-Dur, das in Molters Eisenacher Zeit entstand, außerdem ein Konzert für zwei Flöten, Werke für zwei Flöten, zwei Hörner und Streicher sowie ein Concertino, ein „kleines Konzert“ für vier Flöten und Basso continuo. Auch für das Cembalo hat Molter mehrere Konzertwerke geschrieben.

Alle Konzerte sind Dokumente eines Kapellmeisters, der die kompositorischen Standards seiner Zeit auf sehr hohem Niveau beherrschte, aber auf Extravaganzen verzichtete. Dass Molter in der Geschichte des Instrumentalkonzerts dennoch einen wichtigen Platz einnimmt, verdankt er dem Umstand, dass er zu den ersten Komponisten gehörte, die Konzerte für die Klarinette komponierten.

Georg Siebert (Barockoboe)

Georg Siebert, 1968 in Duisburg geboren, spielte erst Blockflöte und Klarinette, bevor er 1986 zur Oboe wechselte. Er studierte in Essen und Basel Oboe und Barockoboe bei Pierre Feit und Omar Zoboli. 1998 Konzertdiplom in Basel "mit Auszeichnung". 

Georg Siebert war  Stipendiat der Kammermusikstiftung "Villa Musica" und 2002 Semifinalist beim Telemann-Wettbewerb für historische Blasinstrumente in Magdeburg. Zahlreiche Ensembles der Alten Musik verpflichten ihn im In- und Ausland zu Konzerten, CD- und Rundfunkaufnahmen. Darunter die Lautten-Compagney Berlin, das Bachorchester Mainz, das Kammerorchester Basel unter Christopher Hogwood, „Le Parlement de Musique“, das Barockorchester „La Banda“ oder die Neue Hofkapelle München und das seit 1998 bestehende Karlsruher Barockorchester, dessen Gründungsmitglied und Projektmanager er ist.

Mit diesem Orchester realisierte er in Zusammenarbeit mit dem SWR die CD „Musik am Hofe zu Carlsruhe“, die zum Stadtgeburtstag Karlsruhe 2015 erschienen ist. Aufsehen erregte auch das von ihm organisierte Rekonstruktionskonzert der Uraufführung von Brahms 1. Sinfonie im November 2016 im Konzerthaus Karlsruhe. Dieses Konzert wurde vom SWR mitgeschnitten und gesendet.

Das Gottesauer Ensemble

Das Gottesauer Ensemble formierte sich in Karlsruhe und steht unter der Leitung des Cellisten Dmitri Dichtiar, der sich intensiv mit oft so bezeichneter "alter Musik" verschiedener Epochen beschäftigt. Kein Zufall also, dass auch die musikalischen Programme des Gottesauer Ensembles der historisch informierten Aufführungspraxis verschrieben sind.

In wechselnder Besetzung bringt das Musiker-Kollektiv immer wieder Musik zu Gehör, die in der Gegenwart nur noch selten gespielt wird. Das jüngste Wiederhören gibt es nun sogar als CD: Im Jahr 2015 produzierte das Gottesauer Ensemble bei dem Label Musicaphon eine Aufnahme mit sechs Concerti von Johann Melchior Molter. Der Anlass für diese Einspielung war Molters 250. Todestag.

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Thomas Seedorf
Kerstin Unseld