Musikstück der Woche vom 5.7. bis 11.7.2010

Benefiz für Beethoven

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Beim Sammeln für ein Beethovendenkmal beteiligte sich Felix Mendelssohn-Bartholdy 1841 mit dem Erlös seiner Variations sérieuses für Klavier d-moll op. 54.

In einem Ettlinger Schlosskonzerte gastierte am 14. November 2008 der russische Pianist Evgeni Koroliov mit diesem Stück, das als eines der Schlüsselwerke romantischer Klaviermusik gilt.

Für Beethoven ganz "Sérieuses"

Auffällig ist, dass Mendelssohn sich wenig um Variationswerke scherte. Auffällig deshalb, weil Mendelssohn selbst am Klavier höchst kunstfertig Improvisieren konnte und satztechnisch sehr gewandt mit Formen umzugehen verstand. Erst 1841 entstanden in rascher Folge drei Folgen von Variationen, und die erste - op. 54 - schrieb er für ein Benefizalbum zugunsten eines Beethovendenkmals in Bonn.

Bonner Beethoven-Denkmal (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Bonner Beethoven-Denkmal

Beethovendenkmal? Im Prinzip setzte Mendelssohn mit seinen Variations sérieuses ein eigenes Denkmal: Denn Beethoven gilt und galt als Großmeister der genialen Variation. Kein Thema war ihm zu schlicht, um daraus nicht Variationen von höchster Kunst und künstlerischem Anspruch zu komponieren. Beethovens Variationswerke sind von anderer Art, als die "Variations brillantes", die zu Mendelssohns Zeit gerade modern sind. In den modischen, brillianten Pendants geht es ums Brillieren, um Applaus für Virtuosenstars und große Effekte. Von dieser Mode wollte Mendelssohn sich klar absetzen und benannte daher seine Variationen "sérieuses". Im Juli 1841 schrieb er an seinen in London lebenden Freund Karl Klingemann, dass er mit "wahrer Passion" an op. 54 arbeite.

Dieses von Pianistengrößen wie Ferrucio Busoni, Vladimir Horowitz, Svjatoslav Richter und anderen so geschätzte Werk Mendelssohns besteht aus insgesamt 16 Variationen. Ein 16-taktiges, streng gegliedertes Thema wir darin nach allen Regeln der Kunst verwandelt, durch Beschleunigung oder Verlangsamung, Synkopen, Staccati, Akkorde und Arpeggien virtuos ausgeschöpft. In all dem kommt aber auch Träumerisches nicht zu kurz - etwa in der 11. Variation -, und ganz brilliant klingt das Werk aus.

Evgeni Koroliov

1949 in Moskau geboren, durchlief Evgeni Koroliov die gründliche pianistische Ausbildung, die Hochbegabten in der damaligen Sowjetrepublik zuteil wurde. Nach erstem Klavierunterricht an der Zentralen Musikschule studierte er am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau bei den charismatischen Klavierpädagogen Lew Oborin und Lew Naumow. Zu seinen frühen Lehrern zählten auch der 'Meistermacher' Heinrich Neuhaus und die legendäre Pianistin Maria Judina. Nach dem Studium unterrichtete Koroliov zunächst am Moskauer Konservatorium, übersiedelte dann jedoch zu seiner Frau nach Mazedonien, wo ihn 1978 seine Berufung als Professor an die Hamburger Musikhochschule erreichte.

Mehrere Preise wichtiger Wettbewerbe, darunter der Bach-Preis Leipzig, den er als 19-jähriger gewann, der amerikanische Van Cliburn-Preis, und der Grand Prix Clara Haskil, ebneten Evgeni Koroliov den Weg zu einer internationalen Karriere. Er gastierte in den großen Musikzentren der Welt ebenso wie bei den internationalen Musikfestivals und trat auch als Kammermusikpartner von Künstlern wie Natalia Gutman, Mischa Maisky, dem Auryn und dem Keller Quartett auf. Außerdem ist er Duopartner seiner Frau Ljupka Hadzigeorgieva.

Dem Werk Johann Sebastian Bachs fühlt der Pianist sich besonders verbunden. Bereits als 17-jähriger erregte er durch eine Aufführung des gesamten "Wohltemperierten Klaviers" in Moskau Aufsehen. Sämtliche großen Klavierwerke Bachs gehören zum Grundbestand seines Repertoires, seine h-Aufnahmen, namentlich die der "Kunst der Fuge", sichern ihm eine herausragende Stellung in der Geschichte der Bach-Rezeption.

In der internationalen Klavierszene fällt Koroliov auf durch seinen gänzlichen Mangel an Attitüden. Er überzeugt 'ganz einfach' durch sein Können: seine überragende Technik, noble Anschlagskultur und luzide Transparenz - und durch seine geistige Durchdringung der Werke. Damit nähert er sich dem Punkt, an dem „Musik sich selber spielt", wie ein Kritiker anmerkte. Ein englischer Rezensent bringt es so auf den Punkt: "He plays Schubert’s Schubert, not his..."

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Kerstin Unseld