Musikstück der Woche mit dem Bennewitz Quartett

Ludwig van Beethoven: Streichquartett op. 18 Nr. 2

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AUTOR/IN
Doris Blaich

"Feurig" - so wird das Spiel des Bennewitz Quartetts immer wieder bezeichnet. Nicht schlecht für ein Kammermusik-Ensemble, und ideal in Kombination mit Beethoven! Dessen G-Dur Streichquartett aus seinem Opus 18 ist unser Musikstück der Woche; ein Livemitschnitt aus Schloss Waldthausen vom Oktober 2012.

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Beethoven springt aus Mozarts Schatten

"Wenn Bach als das Firmament bezeichnet wird, so Mozart als die alles überstrahlende Sonne, von der wiederum Beethoven beschienen wurde, nicht ganz frei von einigen Sonnenstichen", so schrieb der Komponist Paul Dessau einmal in sein Notizbuch. Mozarts Sonne überstrahlte auch die Welt des Streichquartetts - und Beethoven hielt sich auf diesem Gebiet lange in Mozarts (und Haydns) Schatten verborgen. Erst 1798, nach ausgiebigem Zögern, nahm er von dem musikbegeisterten Fürsten Lobkowitz den Auftrag an, eine Serie von sechs Streichquartetten zu komponieren. Da war er 27 Jahre alt und bereits ein renommierter Komponist.

... und schafft gleich "das Höchste der Art"

Die ersten Aufführungen von Beethovens Quartetten fanden im exklusiven privaten Rahmen statt - damals musizierte man aus handschriftlichen Noten. Gräfin Josephine von Deym berichtet darüber: "Dann ließ uns Beethoven, als ein wahrer Engel, seine neuen, noch nicht gestochenen Quartette hören, die das Höchste ihrer Art sind. Der berühmte Kraft übernahm das Cello, Schuppanzigh die erste Violine. Stellt euch vor, was das für ein Genuß war!" 1801 erschien die Quartettserie dann im Druck und wurde so auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt – wobei wahrscheinlich viele Amateur-Quartette an diesen Stücken kläglich scheiterten: Sie sind nämlich schwer, besonders für die erste Geige!

Rein oder raus?

"Komplimentierquartett" ist der Spitzname dieses Streichquartetts. Er stammt nicht von Beethoven selbst, sondern aus dem späteren 19. Jahrhundert. Im heutigen Sprachgebrauch hat sich die Redewendung "jemanden hinauskomplimentieren" erhalten: Jemanden mit einem (möglichst höflichen) Wortschwall loswerden.

Erst rein ...

Beethoven macht in seinem Quartett das Gegenteil, er komplimentiert den Hörer mit galanten Gesten rein in die Musik. Wie eine elegant verschnörkelte Begrüßungsgeste wirkt die Geigenarabeske zu Beginn; sogleich mündet sie in einen absteigenden Dreiklang im Galopprhythmus, eine kurze Schlussfloskel hinten dran, und fertig ist das Hauptthema - klingt mühelos, für Beethoven war es aber (wie so oft) eine ziemliche Knobelarbeit, denn auch (und gerade) in dieser ersten Quartettserie hatte er an seine musikalischen Ideen den Anspruch, unterschiedlichsten kompositionstechnischen Finessen gerecht zu werden.

... mittendrin ...

Aus Skizzen und Frühfassungen wissen wir, dass er in diesem Quartett vieles doppelt und dreifach komponiert und wieder verworfen hat. Besonders auch im zweiten Satz, einem feierlichen Adagio. In dessen Mitte huscht ein leichtfüßiges Piano-Intermezzo hinüber, das Beethoven in den Satz einbettet wie eine funkelnde Intarsie. An den Übergangstakten, die die beiden Teile zusammenschmieden, hat er lange gebastelt, bis alles perfekt zusammenpasste. Und nicht nur da.

Der dritte Satz: Bei Mozart und Haydn steht an dieser Stelle ein Menuett in höfisch-gravitätischem Habitus, Beethoven lässt ein quicklebendiges Scherzo sprudeln.

... dann wieder raus.

Im Finale drängt und drängelt alles nach vorne: Das Cello stellt eine Frage in den Raum, die die anderen drei sogleich mit Elan beantworten, in ein rauschendes G-Dur-Tutti verwandeln und schließlich in eine Moll-Landschaft von barbarischer Schönheit. Harmonische Pointen, melodische Sackgassen, betont 'falsche' Akzente - Beethoven fackelt ein Feuerwerk der musikalischen Überraschungen ab: Schöner und witziger kann man als Hörer nicht hinauskomplimentiert werden!

Bennewitz Quartett

Der böhmische Geiger Antonín Bennewitz (1833-1926) ist der Namenspatron des Bennewitz Quartetts. 1998 wurde es gegründet, heute besteht es aus diesen vier tschechischen Musikern: Jakub Fišer und Štěpán Ježek (Violine), Jiří Pinkas (Viola) und Štěpán Doležal (Violoncello).

Prägende Erfahrungen sammelten die vier in Meisterkursen bei Musikern wie Rainer Schmidt von Hagen Quartett und Walter Levin vom La Salle Quartet. 2003 wurde das Bennewitz Quartett von der Spanischen Königin für seine herausragende Lehrtätigkeit an der Escuela Superior de Música Reina Sofía in Madrid ausgezeichnet. Ein Jahr später erhielt das Ensemble den Preis der Tschechischen Kammermusikgesellschaft. Mit Preisen bei zwei internationalen Kammermusikwettbewerben (2005 in Osaka 2005 und 2008 beim Prémio Paolo Borciani in Italien) gelang dem Quartett der Sprung in die Oberliga der Kammermusik-Ensembles. Seither hört man es auf den großen Bühnen der Welt.

Das Bennewitz Quartett hat zahlreiche CDs eingespielt, einige davon (u.a. mit Quartetten von Dvorák) auch in den Kammermusikstudios des SWR.

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Doris Blaich