Musikstück der Woche

Das Cuarteto Casals spielt Ludwig van Beethoven: Streichquartett F-Dur op. 135 „Der schwergefasste Entschluss“

Stand
AUTOR/IN
Julia Schwarz

Große Geste und Augenzwinkern zwischen den Notenzeilen - beides entlockt das Cuarteto Casals Beethovens letztem Streichquartett vom schwer gefassten Entschluss.
Muss es sein? Fürs Musikstück dieser Woche gilt, was Beethoven in seiner Musik mit Nachdruck bekräftigt: Es muss sein!

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Es muss sein, es muss sein!

Des Einen Steuererklärung ist des Anderen Bügelwäsche! Es gibt sie, diese Dinge, die einem zuverlässig drei widerwillige Worte entlocken: „Muss es sein…?“

Ludwig van Beethoven hat diese drei Worte mit Tönen versehen. Zusammen mit dem Titel „Der schwer gefasste Entschluß“ stehen sie einmal als Frage und zweimal als Antwort angeordnet über dem Schlusssatz seines 16. Streichquartetts. Von Grave – Muss es sein?“ bis Allegro - „Es muss sein!“ entspinnt Beethoven darin ein tiefgründiges und humorvolles Frage-Antwort-Spiel.

Schon vom ersten Takt an ist in diesem Quartett kammermusikalisches Feingefühl gefragt, denn die Stimmen greifen ständig ineinander und spielen sich die Bälle zu. Den allerersten Anfang macht die Bratsche. Mit ihrem dritten Anlauf bringt sie die Melodie ins Rollen; und als wäre Beethoven schon im ersten Satz um einen Entschluss verlegen gewesen, erklingt das Thema einmal angestoßen nicht in einem Instrument allein, sondern durchwandert leichtfüßig den Stimmensatz.

Warm, wärmer, Des-Dur

Im Vivace legt Beethoven den Turbogang ein. Synkopen sorgen für Drive, und im Mittelteil entlädt sich die angesammelte Bewegungsenergie vollends. Während die erste Geige übers Griffbrett hüpft, geraten die Unterstimmen in einen beinahe ruppige Begleitfigur. Das stört aber kein bisschen, denn ehe man sich‘s versieht, ist der zweite Satz auch schon vorbeigerauscht.

Von Streichquartetten wird er geliebt! „Lento assai, cantante e tranquillo“, also „langsam genug, singend und ruhig“ hat Beethoven den wunderbaren dritten Satz seines letzten Quartetts überschrieben, ein Variationssatz in Des-Dur. Das sanfte Thema fließt erst in der ersten Violine, später im Cello und ist Musik zum Seele Wärmen.

Beethovens Rätsel

Auf der Suche nach dem biographischen Anlass von Beethovens Motto-Frage im Schlusssatz haben Musikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler schon viel Tinte vergossen. Weil es ausgerechnet der letzte Satz des letzten Quartetts ist, das Beethoven schrieb, während er sich im Herbst 1826 auf dem Land von Krankheit und der Sorge um seinen Neffen erholte, bietet die rätselhafte Überschrift reichlich Raum für Spekulation. Als wahrscheinlich gilt eine Begebenheit, nach der Beethoven beim Wiener Hofkriegsagent Dembscher auf einer stattlichen Leihgebühr für die Noten zum Quartett op.130 beharrte. Der gab lediglich ein lapidares „Wenn es sein muss!“ zurück, was Beethoven zu seinem frechen Kanon „Es muss sein! Heraus mit dem Beutel!“ und eben zum Anfang des vierten Satzes inspiriert haben soll.

Vielleicht ist der ursprüngliche Anlass der Komposition für unser Hören heute aber auch gar nicht so entscheidend. Interessanter dürfte sein, welche Fragen das spannungsvolle Wechselspiel der Stimmen in uns anklingen lässt. Muss es sein? Es muss!

Zum Cuarteto Casals

Cuarteto Casals: Ein demokratisches Ensemble

Was haben die Bundeskanzlerin und die Mitglieder des Cuarteto Casals gemeinsam? – Sie alle sind Chef oder Chefin auf Zeit!

Damit jeder seinen gerechten Anteil an der Gestaltung eines Werkes hat, teilen sich Vera Martinez-Mehner, die Brüder Abel und Arnau Tomàs Realp, sowie Jonathan Brown die Leitung der Probe gleichmäßig auf. Jeder moderiert ein Viertel der Probenzeit. Heraus kommen dabei ein gediegener individueller Ensembleklang und gestochen scharf konturierte Interpretationen.

1997 gründete sich das Cuarteto Casals an der Musikhochschule Reina Sofía in Madrid. Mit einem besonders ehrgeizigen, mehrjährigen Projekt konnte es bereits sein 20-jähriges Bestehen und 2020 den großen Komponisten-Geburtstag feiern: die Einspielungen aller Beethoven-Quartette auf sechs CDs zusammen mit sechs zeitgenössischen Auftragskompositionen.

In der Zwischenzeit blickt das Quartett auf eine beachtliche Zahl von Erfolgen bei renommierten Wettbewerben zurück. Seit der Auszeichnung mit dem Ersten Preis beim London Competition 2000 und dem Internationalen Johannes Brahms Wettbewerb Hamburg 2002 war das Cuarteto Casals wiederholt in einigen der angesehensten Konzertsäle der Welt zu Gast. Hinzu kommen zahlreiche Einspielungen aus der ganzen Breite des Quartettrepertoires beim Label harmonia mundi.

Zuhause sind die vier Musiker*innen in Barcelona, wo sie regelmäßig konzertieren, an der Musikhochschule unterrichten und als Kulturbotschafter der Region Katalonien ihre Musik in die Welt tragen.

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Julia Schwarz