Musikstück der Woche

Das Danish String Quartet spielt Ludwig van Beethoven: Streichquartett e-Moll op. 59 Nr. 2 „2. Rasumowsky-Quartett“

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AUTOR/IN
Christiane Peterlein

Dieses Werk bietet alles: In seinem Streichquartett op. 59 Nr. 2 schlägt Beethoven den Bogen vom finsteren e-Moll über sakrale Stimmungen bis hin zum wilden Tanz.

Dieses zweite der drei Graf Rasumowsky gewidmeten Streichquartette stellt seine Interpret*innen musikalisch wie technisch auf die Probe. In unserer Aufnahme besteht das Danish String Quartet diese Probe mit Brillanz und Raffinesse.

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Starker Tobak

Zwei Akkorde, schroff und hart. Sie stehen am Anfang dieses großen Streichquartetts und fordern sofort die ganze Aufmerksamkeit ihrer Hörer*innen ein. Im Verlauf des ersten Satzes im düsteren e-Moll kehren sie immer wieder, rütteln das Publikum auf und werden selbst zur Wurzel der musikalischen Entwicklung.

Ihr radikaler Gestus wird noch durch die Generalpause betont, die Beethoven folgen lässt: Die Instrumente schweigen und das Publikum muss warten – erst dann entspinnt sich aus der Stille das Hauptmotiv mit einer leisen Melodielinie.

Choral im Quartett

Wie Balsam wirkt dagegen der zweite Satz, ein friedvoller Streicherhymnus in E-Dur, der die ganze Menschheit zu umarmen scheint. Innig, fast sakral ist die Stimmung des Satzes, der das Zentrum dieses Werkes bildet.

Laut einer Anekdote wird Beethoven zur Komposition des Adagios inspiriert „als er einst den gestirnten Himmel beobachtete und an die Harmonie der Sphären dachte“, wie sein Schüler Carl Czerny berichtet. Beethovens Spielanweisung für den zweiten Satz spricht für sich: „Man spiele dieses Stück mit viel Gefühl“.

Russische Verbeugung

Tänzerisch geht es weiter im dritten Satz: Die Melodie springt von Note zu Note, rhythmisch verschoben durch Synkopen und eine zupackende Off-Beat-Begleitung im Bass.

Der zweite Teil ist ruhiger und gesanglich. Beethoven zitiert hier ein russisches Volkslied und kennzeichnet es auch als „Thème Russe“ im Notentext, um seinem russischen Auftraggeber, Graf Rasumowsky, zu huldigen. Sláva Bogu na nebe („Preis sei Gott im Himmel“) heißt das Lied im Original, das 1790 in St. Petersburg in einer Volksliedsammlung veröffentlicht wird. Auch in Rasumowskys großer Bibliothek befindet sich bald ein Exemplar. Beethoven wird es wahrscheinlich von Rasumowskys Bibliothekar Bigot und dessen Ehefrau empfohlen, mit denen er eng befreundet ist.

Die Sammlung ist im 19. Jahrhundert eine beliebte Quelle für Komponisten: Über 70 Jahre nach Beethoven verarbeitet auch der russische Komponist Modest Mussorgsky das Lied Sláva Bogu na nebe als Krönungshymne in seiner Oper Boris Godunow. Beethoven selbst entnimmt der Sammlung später drei russische Melodien für seine "Twentyfive Melodies of continental Nations".

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Kaum zu fassen

Stolz und triumphierend setzt der dritte Satz in C-Dur ein, die erste Geige glänzt in den oberen Lagen – doch der helle Eindruck ändert sich schnell, plötzlich wechselt die Harmonie nach Moll. Immer wieder pendelt dieser Satz zwischen Dur und Moll, versagt seinen Hörer*innen eine klare Festlegung und lässt sie in der Schwebe. Vorangetrieben wird der Satz vom pochenden Rhythmus in den Begleitstimmen. Ein ruhiger Mittelteil bietet eine kurze Atempause, bevor es in das furiose Finale geht.

Der Rhythmus übernimmt die Führung, während das Tempo immer weiter gesteigert wird. Beethoven verlangt hier ein hohes Maß an Virtuosität, sowohl von den einzelnen Ensemblemitgliedern als auch vom Ensemble im Zusammenspiel. Leisten konnte dies das Quartett um den mit Beethoven befreundeten Geiger Ignaz Schuppanzigh. Graf Rasumowsky engagierte sie als festes Ensemble in seinem Wiener Palais, wo sie das ihm gewidmete Streichquartett zusammen mit Beethovens anderen beiden „Rasumowsky“-Quartetten im Winter 1806/07 uraufführten.

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Christiane Peterlein