Musikstück der Woche

Herbert Schuch spielt Ludwig van Beethoven: 11 neue Bagatellen für Klavier op. 119

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Beethovens Bagatellen sind musikalische Gedankensplitter, oft nur ein paar Takte lang, immer originell und überraschend. Für seine Bagatellen-Sammlung op. 119 hat er elf Klavierstücke zusammengewürfelt. Manche davon waren da schon fast 30 Jahre alt, andere taufrisch.

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Kurz und knapp

„Ich schreibe dir einen langen Brief. Für einen kurzen habe ich keine Zeit“ – das hat Goethe einmal in einem langen Brief geschrieben. Jeder stimmt zu, der schon einmal in ein paar Zeilen etwas Wichtiges zusammenfassen musste, es auf die Essenz eingekocht hat, ohne dabei zu plakativ oder schwammig zu werden.

Auch in der Musik liegt manchmal die berühmte Würze in der Kürze. Ein Musterbeispiel dafür sind Beethovens Bagatellen für Klavier. Insgesamt 24 hat er im Druck veröffentlicht, elf davon als op. 119.

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Bagatellen

Bagatellen, das sind „große Weisheiten in kleiner Form“, schreibt der Dirigent und Musikforscher Jan Caeyers in seiner neuen, sehr lesenwerten Beethoven-Biographie. „Ihre Kürze bedeutet für den Komponisten auch Freiheit, denn der Zwang zur Begrenzung des thematischen Materials, der für längere Werke gilt, fällt hier weg. Rhetorische Mittel wie Antithese, Paradox, Understatement, Doppeldeutigkeit und Ironie können nach Belieben eingesetzt werden. Das war es, was Beethoven an solchen Kompositionen liebte.“

Ein Heft, zwei Hälften – die zweite

Friedrich Starke, Hornist im Orchester der Wiener Hofoper, bat Beethoven 1820 um ein kurzes Stück für ein Anfänger-Klavierheft. Beethoven schenkte dem Freund gleich fünf Bagatellen als Neujahrsgeschenk; später die Nummern 7 - 11 in der Bagatellen-Sammlung op. 119. „Kleinigkeiten“ von durchschnittlich 20 Takten Länge, sie dauern rund eine Minute und entblättern einen kleinen Kosmos der Klavier- und Kompositionstechniken: eine Triller-Etüde ist dabei, ein Stück in strengem, streichquartett-gestähltem vierstimmigen Satz, ein kurzer Walzer.

Die erste Hälfte

Beethoven hatte eine stattliche Summe Geldes bei seinem Bruder Johann geliehen. Er wollte die Schulden schnell begleichen und durchkramte seine Schublade nach älteren Klavierstücken, die er 1823 dem Leipziger Verleger Peters zum Kauf anbot. Der aber fand diese Bagatellen „gar zu klein“ und technisch zu unausgewogen: zu leicht für Fortgeschrittene, zu schwer für Anfänger. Außerdem nicht auf der Höhe von Beethovens sonstigen Werken. Da Verleger schon damals zielgruppen-orientiert dachten, bekam Beethoven eine schnöde Absage.

Alle elfe

Schließlich veröffentlichte Muzio Clementi in London die Bagatellen in London als „Trifles for the Pianoforte“ als Beethovens Opus 119: enthalten sind sowohl die frühen, meist tänzerisch-heiteren Stücke, die Peters verschmäht hatte, als auch die fünf späteren Bagatellen.

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Doris Blaich