Musikstück der Woche

Joseph Haydn: Klaviersonate Es-Dur Hob. XVI:52

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AUTOR/IN
Felix Werthschulte

Wenn es um die Zahl an Klaviersonaten geht, hätte Joseph Haydn einen Platz im Buch der Rekorde verdient.

Auch wenn die bloße Anzahl natürlich kein Kriterium für Qualität ist, es beeindruckt doch, dass sich Haydn beinahe sein ganzes Leben mit dieser Gattung auseinandergesetzt hat.

Das SWR2-Musikstück der Woche ist eine seiner letzten Sonaten, entstanden in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts. Interpretiert wird sie vom österreichisch-britischen Meisterpianisten Sir András Schiff.

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Alles andere als „nett“

Als „Papa Haydn“ wurde er seit dem 19. Jahrhundert häufig belächelt. Vor allem in der Romantik schien die Tonsprache Joseph Haydns vielen zwar wichtig und einflussreich, aber letztlich auch ein bisschen zu nett und fröhlich, leicht und vielleicht sogar etwas naiv.

Ganz und gar nicht gewöhnlich

Genau so konnte Haydn natürlich schreiben: elegant und federnd, unbeschwert und locker. Doch wie bei allen großen Künstlern greift diese Sicht allein natürlich viel zu kurz. Schon die ersten Takte seiner Es-Dur-Sonate enthüllen eine völlig andere Sprache.

Sie ist kraftvoll und stolz, nicht ohne Eigensinn und motiviert vom Willen, mit technischem Können zu brillieren. Komponiert hat Haydn diese Sonate um das Jahr 1795 in Wien für die Pianistin Teresa Jansen. Sie war eine Schülerin von Muzio Clementi, deren Kunst Haydn vermutlich bei Konzerten in London kennen und schätzen gelernt hatte.

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Das Klavier wackelt

Es ist eine Sonate, die Haydns Klavier zum Wackeln bringen konnte – und die Zuhörerschaft gleich mit. Denn wer das Stück heute hört, muss sich immer wieder vergegenwärtigen, dass die Tasteninstrumente des 18. Jahrhunderts noch längst nicht so stabil waren. Keinesfalls dürfe man Haydns Instrumente mit dem Flügel der Romantik verwechseln, mahnte auch der Biograf Karl Geiringer: „Das Haydn-Klavier ist ein weit leichteres und kleineres, klangschwaches Instrument mit dünnen Saiten und kleinen, mit Leder bezogenen Hammerköpfen, das eine durchsichtig klare, klassische Tongebung ermöglicht.“

Vorahnung des Titanen

Vor allem der ersten Satz ist mit vollgriffigen, meist gebrochenen Akkorden, schnellen Figurationen und rumorenden Oktav-Tremoli gespickt – pianistische Finessen, wohin das Auge blickt. Im Adagio verdichtet sich die Dramatik, ausgelöst vor allem durch dynamisches An- und Abschwellen auf engstem Raum.

Höhepunkt ist hier eine schroff punktierte, chromatisch intensiv eingefärbte Passage in der Satzmitte. Der nette „Papa Haydn“ offenbart hier einen ungewöhnlich schroffen Grimm, den man schon eher vom mittleren und späten Beethoven kennt.

Dieser beeindruckenden Klavierfantasie schließt sich noch ein schwindelerregend schnelles Finale an. In markanten Zäsuren scheint die Musik immer wieder Atem zu holen, um sodann mit neuer Kraft weiterzustürmen.

Auch dieses Stück ist alles andere als nett und gefällig. Nach einer technischen Tour de Force schließt es genauso markant wie es begonnen hatte: mit einem kraftvollen, siebenstimmigen Es-Dur-Akkord.

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Felix Werthschulte