Musikstück der Woche

Mehr zu Brahms' Sonate für Viola und Klavier f-Moll op. 120 Nr. 1

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AUTOR/IN
Marcus Caratelli

Brahms entschied sich 1890, das Komponieren aufzugeben. Da war er 57 Jahre alt. Dank dem Klarinettisten Richard Mühlfeld überlegte er sich’s nochmal anders.

Mühlfelds unnachahmliches Spiel soll Brahms bewogen haben, neben einem Trio und Quintett auch noch zwei Klarinettensonaten zu komponieren.

Die Fassung für Viola und Klavier zählt dabei heute zum festen Repertoire für Bratschisten.

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Den Regeln der Instrumentierungspraxis folgend, ist die Bratsche natürlich ein hervorragendes Substitut für die Klarinette. Sie fängt ihren warmen, obertonreichen Klang wunderbar ein und präsentiert doch auf ihre eigene Weise neue Aspekte und Klangschattierungen. Quasi dasselbe, aber mit anderen Worten.

Nach einer kurzen Einleitung des Klaviers erscheint das Thema des ersten Satzes in der Bratsche. Fast herbstlich und nostalgisch kommt es daher, mit einer sehr expressiven Coda. Im zweiten Satz, dem Andante un poco adagio, herrscht eine große nocturale Wehmut. Doch langsam lichtet sich die trübe Stimmung in ein strahlendes A-Dur. Diese Mediant-Tonart führt uns auch in das Allegretto grazioso. Der Trio-Teil ist wieder in f-Moll gehalten und zeigt die ganze Bandbreite farblicher Nuancen der tiefen Lagen einer Bratsche.

Tabea Zimmermann gestaltet in unserer Live-Aufnahme einen feinen und wohl artikulierten Gegenpart zu der ausbalancierten Klavierbegleitung von Thomas Hoppe. Ein finales Rondo Vivace rahmt die Sonate und endet versöhnlich in F-Dur.

Brahms‘ Schwanengesang?

Um die Sonaten für Bratsche einzurichten, musste Brahms die Urfassung teils bearbeiten. Figurationen wurden umgeschrieben, Doppelgriffe hinzugefügt und Melodien ergänzt. Brahms‘ letzte Kammermusikwerke, die beiden Klarinettensonaten und ihre jeweilige Bratschenfassung, zeugen von einer großen Sensibilität für die unterschiedlichen und doch ähnlichen Klanglichkeiten der beiden Soloinstrumente. Das warme Timbre, die herbstlich anmutende Stimmung: Musik voller Inbrunst und Resignation. Sie zeichnen sehr intim und gefasst das Empfinden am Lebensabend des Komponisten.


„Ich bin vor allem Musikerin. Und in zweiter Linie Bratschistin“, sagt Tabea Zimmermann.
Im Januar 2020 hat sie den Ernst von Siemens Musikpreis verliehen bekommen, den „Nobelpreis der Musik“. SWR2 Zeitgenossen porträtiert sie am 21. Mai. In unserem Musikstück der Woche spielt sie die Bratschensonate von Johannes Brahms.

Zeitgenossen Tabea Zimmermann: „Oberflächliches spielt keine Rolle“

Tabea Zimmermann spielt das Instrument, über das andere immer noch gerne Witze machen, die Bratsche. Dass aber der Ruf des Instruments als Gespött des Orchesters in keiner Weise mehr gerechtfertigt ist, liegt auch an ihr. Tabea Zimmermann hat gerade das Solospiel mit der Bratsche auf ein neues Niveau gehoben.  Aufgewachsen in Lahr im Nordschwarzwald, wurde sie nach dem Studium mit 21 Jahren Deutschlands jüngste Professorin.

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Marcus Caratelli