Musikstück der Woche vom 2.1.2017

Magnificat

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Heinrich Schütz: Meine Seele erhebt den Herren

In der Musik von Schütz gehen italienisches Temperament und deutsche Gründlichkeit eine glückliche Verbindung ein - auch in einem geistlichen Werk wie seinem Magnificat; er hat es 1647 veröffentlicht, noch vor Ende des 30-jährigen Krieges. In unserem Ettlinger Schlosskonzert vom 18.10.2015 singt die Sopranistin Miriam Feuersinger, begleitet vom Capricornus Consort Basel.

Sinfoniae Sacrae 

Erst üben, dann aufführen! Diesen Wink mit dem Zaunpfahl formulierte Heinrich Schütz im Vorwort seiner Symphoniae Sacrae II – in Schützschem Barockdeutsch liest es sich etwas sperriger:

1647, ein Jahr also vor Ende des Dreißigjährigen Krieges, erschien der üppige Band als Opus 10 im Druck, gewidmet ist er dem dänischen Kronprinzen Christian, einem von Schütz wichtigsten Förderern. In der Vorrede formuliert Schütz seine Absicht, die Errungenschaften der modernen italienischen Musik, die er auf zwei langen Studienreisen kennengelernt hatte, in Deutschland zu verankern und mit der deutschen Sprache zu verbinden: alle 27 Concerti der Sammlung haben deutschsprachige Texte: Psalmen, Bibelverse aus dem Alten und Neuen Testament sowie Kirchenlieder.

Magnificat teutsch

»Meine Seele erhebt den Herrn und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes« – so singt die schwangere Maria, als sie ihre Verwandte Elisabeth besucht und von ihr als »Mutter des Herrn« gepriesen wird. In ihrem Loblied besingt Maria Gottes Größe, Heiligkeit und Macht, seine Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gegenüber den Schwachen und seine Entschlossenheit gegenüber den Hochmütigen, Gewalttätigen und Reichen. Das Magnificat (benannt nach dem ersten Wort dieses Gebets in der lateinischen Fassung, »Magnificat anmia mea dominum«) stammt aus dem ersten Kapitel des Lukas-Evangeliums.

Schon früh fand es Eingang in die gottesdienstliche Liturgie: In den orthodoxen Kirchen singt man es im Morgen- und Nachtgebet, im lateinischen Westen bildet es den Abschluss der Vesper, des abendlichen Stundengebets. Seinen Platz im Vespergottesdienst behielt es auch in den protestantischen Kirchen bei. Die meisten Komponisten kosten lustvoll die Bilder und Kontraste aus, die in diesem Text stecken – Schütz etwa illustriert die Barmherzigkeit mit einer sich langsam aus der Höhe absenkenden Linie in der Singstimme und langen Haltetönen in den Instrumenten, die Gewalt dagegen mit hektischen Tonwiederholungen, wie er es zum Beispiel in Monteverdis Madrigalen im kriegerischen »genere concitato« (erregtem Stil) kennengelernt hatte.

Text

Meine Seele erhebt den Herren,
und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes.

Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen,
siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskind.

Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für
bei denen die ihn fürchten.

Er übet Gewalt mit seinem Arm,
er zerstreuet, die hoffärtig sind, in ihres Herzens Sinn.

Er stösset die Gewaltigen vom Stuhl
und erhöhet die Ellenden.

Die Hungrigen füllet er mit Gütern
und lässt die Reichen leer.

Er denket der Barmherzigkeit
und hilft seinem Diener Israel auf.

Wie er geredt hat unsern Vätern,
Abraham und seinem Samen ewiglich.

Miriam Feuersinger

Miriam Feuersinger (Foto: SWR, Tanja Bürgelin-Arslan -)

Feuersinger - das ist kein Künstlername, sondern ein Geschenk! Der Name leitet sich von den Feuersängern ab: von Tiroler Hirten, die abends am Feuer zusammen sangen. Er passt ideal zu Miriam Feuersinger: Die Sopranistin möchte das Publikum mit ihrem Gesang berühren, damit der musikalische Funke überspringt. Sie stammt aus Österreich, hat bei dem legendären Gesangslehrer Kurt Widmer in Basel studiert und in den letzten Jahren mit ihrer klaren, schlanken und wendigen Stimme auf sich aufmerksam gemacht.

Vor allem das Lied und die geistliche Musik liegen ihr am Herzen. „Wenn ich einen Text verinnerliche, ihn in meinem Herzen bewege, dann kann ich ihn ganz persönlich zu Klang machen. An der geistlichen Barockmusik habe ich besonders große Freude, denn auch die Inhalte bedeuten mir viel“, sagt Miriam Feuersinger. In ihrer Heimat Vorarlberg hat sie eine eigene Konzertreihe mit Bach-Kantaten ins Leben gerufen und dieses Repertoire auch mit etlichen großen Dirigenten der Alten Musik musiziert. Für ihre CDs mit Kantaten des Bach-Zeitgenossen Christoph Graupner erhielt sie diverse Schallplattenpreise, u.a. den Echo-Klassikpreis und den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.

Capricornus Consort Basel

Der Stuttgarter Hofkapellmeiser Samuel Capricornus (1628-1665) ist der Namensgeber dieses Ensembles, und er markiert den Anfangspunkt jener Epoche, der sich das Capricornus Consort Basel widmet. Im Zentrum des Repertoires stehen selten aufgeführte (oder auch seit 300 Jahren nicht mehr gespielte), solistisch besetzte Werke des 17. und 18. Jahrhunderts – Musik, die etliche der wesentlichen Interpretationsangaben (noch) nicht notiert, und darum für die Musiker viel Freiraum bietet für eigene Interpretationsideen und besonderen Ausdruckswillen – immer gekoppelt mit dem Wissen um historische Spieltechniken und die aufführungspraktischen Gepflogenheiten der Zeit.

Der Geiger Peter Barczi gründete das Ensemble 2006. Als künstlerischer Leiter schart er eine Gruppe von Musikerinnen und Musikern um sich, deren gegen­seitige künstlerische Verbundenheit meist schon auf Freundschaften aus der Studienzeit an der Schola Cantorum Basiliensis zurückgeht, der renommierten Hochschule für Erforschung und Vermittlung historischer Musik.

Das Capricornus Consort Basel kann auf Einladungen namhafter Festivals zurückblicken und hat insbesondere mit seinen CD-Einspielungen die Aufmerksamkeit der internationalen Presse erregt. Die Aufnahmen mit Musik des deut­schen Frühbarock (2011 mit dem Countertenor Franz Vitzthum), von Philipp Heinrich Erlebach (2012) und mit den Sinfonie da Chiesa von Francesco Onofrio Manfredini (2014) ernteten von der Fachkritik großes Lob. Die Einspielung einiger Kantaten von Christoph Graupner, 2014 mit der Sopranistin Miriam Feuersinger aufgenommen, wurde unter anderem mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik mit einem Eintrag in die Bestenliste 2/2014 ausgezeichnet und erhielt einen Echo-Klassik-Preis.

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Doris Blaich