Musikstück der Woche

Schuberts Streichtrio B-dur mit Tobias Feldmann, Lise Berthaud und Marie Hallynck

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AUTOR/IN
Christiana Nobach

Franz Schuberts Jugendzeit war die Zeit, in der er beim Komponieren seiner Fantasie freien Lauf lies. Wenn er später auf die Werke aus dieser Zeit schaute, sprach er selbstkritisch von „Modellen“ für das, was später entstehen sollte. Auch das Streichtrio B-Dur gehört dazu, entstanden für den geschützten Rahmen von Hausmusik.

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Ausprobieren und Experimentieren

Obwohl Franz Schubert noch ganz seinen übermächtigen Vorbildern Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart verpflichtet war, ließ er in gewisser Weise in den Kompositionen seiner jungen Jahre seiner Fantasie freien Lauf. Im Jahr 1817 entstanden so eine ganze Anzahl an Werken, die für die häusliche Musizierpraxis entstanden sind und experimentellen Charakter zeigen.

Auf der anderen Seite markiert dieses Jahr auch den Beginn einer Krise, in deren Folge viele von Schuberts Werken nur Fragment geblieben sind. Schubert selbst beurteilte die Jugendwerke später äußerst selbstkritisch und sprach sowohl bei den Sinfonien als auch der Kammermusik von „Modellen“, an denen er „lernte“, um sich den Weg zur großen Sinfonie zu bahnen.

Heute urteilt man gerechter und sieht nicht nur die große Spielfreude, die diese Werke vermitteln, sondern auch den hier schon ureigenen Charakter der Schubert'schen Melodien, die ganz ungewöhnlichen harmonischen Progressionen und die außergewöhnlichen formalen Details.

Werk für die häusliche Musizerpraxis

Nach der Komposition der Violinsonaten aus dem Jahr 1816 und 1817 entstanden die beiden überlieferten Streichtrios Schuberts, wobei das erste (D 471) Fragment geblieben ist.

Zum eigentlichen Anlass des zweiten Streichtrios in B-Dur gibt es keine Nachweise: Bestimmt war auch dieses Trio sicherlich wie so viele andere Werke für Schuberts Kammermusik mit seinem Vater und seinen Brüdern. Dabei spielte er stets die Viola, obwohl er mit Abstand der beste Geiger seiner Familie war, wie seine Schulzeugnisse belegen.

Es ist das einzige vollständige Werk Schuberts in dieser Gattung und unterscheidet sich in formaler und technischer Ambitioniertheit krass von den vorangegangenen Streichquartetten, die zwischen 1813 und 1816 entstanden waren. Denn der experimentelle Ehrgeiz, der Schubert von dieser Zeit an umtrieb, schlug sich wenig in den Trios nieder.

Wohl aber versuchte er, die drei Streichinstrumente vom Tonsatz her wohltönend und annähernd gleichberechtigt in Szene zu setzen. So manche Feinheit geht hier über die vorher entstandenen Streichquartette hinaus.

Durchbruch der Schubert'schen Individualität

Das B-Dur-Trio liegt in zwei geringfügig voneinander abweichenden Fassungen vor: Schubert hat bei der Korrektur des Stimmensatzes gleich eine Überarbeitung hinzugefügt, die sich hauptsächlich auf klangliche Auflichtungen des Begleitsatzes bezieht und die Rolle von Bratsche und Cello aufwertet. Die Führungsrolle der Geige ist allerdings noch spürbar.

Die vier Sätze sind äußerlich ganz klassisch angelegt: der Kopfsatz als Allegro in Sonatenform, das Andante als dreiteilige Liedform mit Siciliano-Thema, der Tanzsatz als Menuett und das Finale als Rondo.

Vor allem in den durchführungsartigen Mittelteilen bricht aber die Individualität Schuberts durch, kennzeichnend hierfür sind eine Fis-Moll-Episode in der Durchführung des ersten Satzes und ein düsterer F-Moll-Kanon zwischen Violine und Viola über einem Cello-Ostinato im langsamen Satz.

Im Trio des Menuetts stimmt die Bratsche einen Ländler an, den die anderen Instrumente nur sparsam begleiten. Das Rondo-Finale ist der gewichtigste Satz des Trios und zeigt neben den eher stabilen Refrains weit ausschweifende Modulationsteile, die später für Schubert so typisch werden sollten.

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Christiana Nobach