Jeder junge Geiger kennt Schuberts Sonatinen für Violine und Klavier; Schubert selbst bezeichnete sie allerdings selbstbewusst schon als Sonaten, als er sie im März und April 1816 mit 19 Jahren komponierte. Die drei Sonaten D-Dur, a-Moll und g-Moll erhielten ihren heute gebräuchlichen Titel erst von dem Wiener Verleger Diabelli, als der die drei Werke acht Jahre nach Schuberts Tod 1836 herausgab.
Damals, 20 Jahre nach ihrer Entstehung, mussten sie aufgrund ihrer Kürze und ihrer überschaubaren technischen Anforderungen als „Sonatinen“ gelten, da sich im Genre der Violinsonate mittlerweile die Grande Sonate, die Virtuosensonate im Stil von Beethovens Kreutzersonate, durchgesetzt hatte. Zu ihrem Image trug zusätzlich ihre hauptsächliche Verwendung in Unterricht und Hausmusik bei.
Schon typisch Schubert: Melodik und Lebendigkeit
Die Verkleinerungsform „Sonatine“ wurde wohl gewählt, weil die Stücke tatsächlich technisch nicht allzu schwer sind, vielleicht auch aus Vermarktungsgründen. Formal - in ihrer klaren Struktur und knappen Form - orientieren sich die Sonaten noch unmittelbar am Sonatenschaffen Mozarts und berücksichtigen dabei weniger die Weiterentwicklungen des Genres.
Aber sie deuten in ihrer typisch Schubert'schen Melodik, ihrer Lebendigkeit und dem souveränen Umgang mit dem thematischen Material schon auf seine spätere individuelle Tonsprache hin. Der ausgefeilte Dialog der beiden Instrumente ist prägendes Merkmal, und so gehören die Sonaten zu den beliebtesten Stücken für die Besetzung Klavier und Violine überhaupt.
Ton romantischer Melancholie
Im Kopfsatz der mittleren, der a-Moll-Sonate traf Schubert erstmals jenen unverwechselbaren Ton romantischer Melancholie, wie er auch in seinen Klaviersonaten und seinem a-Moll Streichquartett zu finden ist. Lange spannungsvolle Bögen im liedhaften Hauptthema und ein Seitenthema, das in jedem Spätwerk des Komponisten stehen könnte, kennzeichnen den Eingangssatz.
Im Andante in F-Dur ist ein idyllisches Thema mit auffallenden Moll-Einbrüchen von Mozart inspiriert, und auch das abschließende Rondo erinnert in Form und Technik an die Finalsätze in Mozarts mittleren Sonaten. Der dritte Satz in d-Moll, ein fast grobes Menuetto, scheint dagegen eher von Haydn oder Beethoven zu stammen, mit einem ländlerartigen Trio und ungewöhnlichen chromatischen Harmonien.