Musikstück der Woche vom 24.12.2012

Lebe glücklich! mit Scarlatti

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AUTOR/IN
Doris Blaich

Domenico Scarlatti: Klaviersonate E-Dur K 380

1685: ein musikalisch herausragender Jahrgang! Bach, Händel und Domenico Scarlatti wurden in diesem Jahr geboren. Eine von Scarlattis (mindestens) 555 Klaviersonaten ist unser Musikstück der Woche. Unser Live-Mitschnitt stammt von einem Ettlinger Schlosskonzert des SWR. Michael Korstick ist der Pianist.

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"Leser, seist du nun Laie oder gelehrter Musiker, erwarte in diesen Kompositionen keine tiefgründige Absicht, sondern vielmehr ein sinnreiches Geplänkel mit der Kunst, das dich in kühnem Spiel auf dem Cembalo üben soll“, schreibt Domenico Scarlatti in einem Vorwort zu seinen Cembalo-Sonaten. „Kein persönliches Interesse, kein ehrgeiziges Ziel hat mich geleitet, sie zu veröffentlichen, sondern nur Willfährigkeit. Vielleicht werden sie deinen Gefallen finden, und umso lieber werde ich weiteren Aufforderungen folgen, dir mit einem leichteren und mannigfaltigeren Stil gefällig zu sein. Verurteile sie also nicht mit deiner Kritik, und du wirst dein eigenes Vergnügen steigern … Lebe glücklich!“

Warum Scarlatti mit Eigenlob eher hinterm Berg hielt

Eine klassische „Captatio benevolentiae“, ein „Einfangen der Lesergunst“ ist das: Man stellt das eigene Licht möglichst weit unter den Scheffel – mit der Hoffnung, dass die so betonte Bescheidenheit und das Understatement beim Gegenüber Sympathien hervorrufen und möglichst jeden kritischen Einwand im Keim ersticken möge. Scarlatti hat sich mit diesem Vorwort an die Gepflogenheiten der Zeit gehalten: Prahlereien waren für solch einen Zweck verpönt. Aber vielleicht war dieser verbale Schachzug auch mehr als bloßer Gehorsam gegenüber den Konventionen der Rhetorik: Schließlich war der erfolgverwöhnte Scarlatti in seinem abenteuerlichen Leben praktisch jeder Art von menschlicher Missgunst und Angriffslust begegnet: In seiner Heimatstadt Neapel, wo die Konkurrenz um die schönsten Opernstimmen und die besten Theaterinszenierungen einen Skandal nach dem anderen hervorrief; in Rom, wo die vielen exzellenten Musiker um die Gunst der reichen Kardinäle buhlten (und wo er selbst im Jahr 1709 einen hervorragenden Posten als Kapellmeister am Privattheater der polnischen Königin errungen hatte) und später an den Königshöfen von Lissabon und Madrid – an denen neben den schönen Künsten auch die Kunst der Intrige ihre Blüten trieb. Scarlatti blieb dennoch der Lieblingskomponist von Königin Maria Barbara. Sie war jahrelang seine Klavierschülerin, und für sie hat er die meisten seiner Sonaten geschrieben. Mindestens 555 sind es – überliefert in dicken handschriftlichen Notenbänden, und seit 1738 auch im Druck.

Was hinter dem "K" steckt

Ursprünglich sind die Sonaten fürs Cembalo geschrieben, aber schon im 19. Jahrhundert spielte man sie auch gerne auf dem Klavier: Chopin liebte sie, Brahms ebenfalls – er besaß in seiner umfangreichen Notenbibliothek fast 300 Scarlatti-Sonaten. Der Cembalist und Musikforscher Ralph Kirkpatrick hat Scarlattis Sonaten – und seine gesamten Kompositionen – gesammelt, geordnet und in einem Werkverzeichnis aufgelistet: dem Kirkpatrick-Verzeichnis (daher das K vor der Sonaten-Nummer).

Unser Mitschnitt stammt von einem Ettlinger Schlosskonzert: Der Pianist Michael Korstick schenkte diese Sonate dem Publikum als Zugabe. Wir schenken Sie jetzt unseren Hörerinnen und Hörern als SWR2 Musikstück der Woche zu Weihnachten!

Und noch ein K: Der Pianist Michael Korstick

Nach nur zwei Jahren Klavierunterricht erspielte sich der Kölner Michael Korstick den ersten Preis beim Wettbewerb "Jugend musiziert". Damals war er elf. Das Klavierstudium führte ihn unter anderem an die New Yorker Juilliard School, wo ihm seine Mitstudenten den Kosenamen "Dr. Beethoven" gaben. Beethoven ist und bleibt einer seiner Favouriten, aber Michael Korstick geht auch immer wieder auf die Seitenpfade des Klavierrepertoires und kombiniert Wohlbekanntes mit Raritäten.

Erst im Alter von 43 Jahren, nach 20 erfolgreichen Konzert-Spielzeiten, erschienen seine ersten CDs – und machten prompt Furore. Der frisch gekürte "Nachwuchskünstler des Jahres" (!) avancierte 2004, nach seinen mehrfach ausgezeichneten Beethoven- und Schubert-Einspielungen denn auch rasch für die Jury der Fachzeitschrift "Fono Forum" zum "Künstler des Jahres". Korsticks Gesamteinspielung der Musik für Klavier und Orchester von Darius Milhaud (gemeinsam mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern) aus dem Jahr 2006 erhielt den "Preis der deutschen Schallplattenkritik". Und auch seine späteren CDs - einige davon im Studio des SWR eingespielt - sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.

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Doris Blaich