Musikstück der Woche vom 28.1.2013 bis 3.2.2013

"Musik eines Zauberers"

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Charles Koechlin: "Au loin", Piece pour piano op. 20

Michael Korstick entdeckte eine kleine Miniatur für Klavier. Etwas Nostalgisches, leicht Verschwommenes in der Ferne, das Charles Koechlin nur als Orchesterstück veröffentlicht hatte. Der Kölner Pianist spielte Koechlins "Au loin" erstmals ein. Beim Ettlinger Schlosskonzert am 14.3.2010 setzte Korstick diese traumverlorene und weltvergessende Klavierminiatur außerdem auf sein Programm.

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In der Ferne Entdecktes

Charles Koechlins Werk "Au loin" op. 20 entstand 1895 und damit in einer Zeit, die für den jungen Komponisten ebenso interessant wie prägend war. Als Kompositionsschüler von Jules Massenet und ab 1896 von Gabriel Fauré trat er in Paris mit eigenen Werken in Erscheinung und erinnerte sich später an diese Zeit: "Es gab da ganz ungewöhnliche Einblicke, ähnlich einem sich öffnenden Fenster zu der geheimnisvollen Welt der Töne oder den Entdeckungsreisen in einen unerforschten Urwald vergleichbar.

Genau so stellte sich für uns die Musik der Zukunft dar." Und "Au loin" – in der Ferne – schaut klanglich genau in diese Richtung, in der Koechlin die Musik seiner Kommilitonen Florent Schmitt, George Enescu und Maurice Ravel kennen lernte und von der er schrieb: "Manchmal reicht ein einziger Takt eines genialen Kollegen aus, um uns das Tor zu den verzauberten Gärten zu öffnen, in denen wir dann vielleicht ganz andere Blumen als er selbst pflücken dürfen." Diese geniale Kraft besitzt aber auch Koechlins Musik selbst, und Darius Milhaud nannte sie nicht ohne Grund die "Musik eines Zauberers". Der Titel "Au loin" wurde dem knapp achtminütigen Klavierstück Andante quasi adagio erst nachträglich verliehen, das unter diesem Namen 1900 als sinfonisches Stück erschien. Ganz sanft blickt man hier in die Ferne, die sich aus einer reinen Quinte in einer Dur-Moll-Spannung klanglich ausbreitet.

Michael Korstick

Der 1955 in Köln geborene Pianist erhielt mit neun Jahren ersten Klavierunterricht. Nach seinem Studium bei Jürgen Tröster (Köln) und Hans Leygraf (Hannover) sowie an der Juilliard School bei Sascha Gorodnitzki errang er zahlreiche Auszeichnungen unter anderem beim Beethoven-Wettbewerb Wien, Reine Sofia-Wettbewerb Madrid, Tschaikowsky-Wettbewerb Moskau und Internationalen Musikwettbewerb Montréal. Bereits seine Kommilitonen an der New Yorker Juilliard School nannten Korstick "Dr. Beethoven", und längst sind sich auch Kenner der Musikwelt einig: Dieser Künstler zählt zu den bedeutendsten deutschen Pianisten, die mit ihren Interpretationen Maßstäbe setzen.

Als charakteristische Eigenschaft seines Spiels wird von der Kritik immer wieder die erstaunliche Balance zwischen brillanter Virtuosität und musikalischer Verinnerlichung im Spannungsfeld einer sehr ausgeprägten Persönlichkeit und kompromissloser Werktreue hervorgehoben. Erst im Alter von 43 Jahren, nach 20 erfolgreichen Konzert-Spielzeiten, erschienen seine ersten CDs – und machten prompt Furore. 2004 wurde seine bahnbrechende Interpretation von Beethovens "Hammerklaviersonate" op.106 veröffentlicht und rückte Korstick endgültig ins Bewusstsein eines breiten Publikums. Einstimmig wertete die Fachpresse diese Interpretation als Sensation, und ein gewaltiges Medienecho war die Folge (Süddeutsche Zeitung: "Ein Glücksfall", Die Zeit: "grandios ... ein spektakulärer Beethoveninterpret"). Wenig später traf seine Aufnahme von Schuberts großer B-Dur-Sonate auf ähnliche Zustimmung und wurde mit dem "Echo Klassik 2005" als solistische Einspielung des Jahres ausgezeichnet.

Unter den Orchesterkonzerten des Jahres 2002 verdient die deutsche Erstaufführung des "Concertino für Klavier und Orchester" von Wladyslaw Szpilman besondere Beachtung, dessen Werke im Zusammenhang mit Roman Polanskis Film "Der Pianist" bekannt geworden sind.

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Kerstin Unseld