Musikstück der Woche vom 15.8. bis 21.8.2011

Violinsonate, die Erste

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Ludwig van Beethovens 1798 entstandenen "Sonaten für Pianoforte und Violine" stehen in der Tradition Mozarts und sind doch unverkennbar "echter Beethoven".

Susanna Yoko Henkel und ihre ukrainische Klavierpartnerin Milana Chernyavska traten am 24.01.2010 bei einem Ettlinger Schlosskonzert mit der ersten dieser beiden Sonaten op. 12 auf.

"Gelehrt, gelehrt und immerfort gelehrt"

Heute spricht man von Violinsonaten - Ludwig van Beethoven aber benannte sie als "Sonaten für Pianoforte und Violine" und kehrte damit die Reihenfolge, mit der beide Instrumente aufgezählt werden, genau um. Das hatte seine Geschichte: Beethovens Violinsonaten stammen (mit Ausnahme von op. 96) allesamt aus der Frühzeit seines Schaffens, genauer gesagt zwischen 1797 und 1803, also in einer Zeit, als er selbst noch als Pianist seine Werke aufführte.

Antonio Salieri gewidmet

Die Gattung der Violinsonate war kaum ein halbes Jahrhundert alt und gewöhnlich so komponiert, dass es eine Sonate für Klavier mit begleitender Violinstimme war. Erst Wolfgang Amadeus Mozart 'emanzipierte' als versierter Geiger die Violinstimme und schuf mit seinen Werken eine Duo-Form, in der sich die Instrumente 'auf Augenhöhe' treffen. In diesem Geiste schrieb auch Beethoven seine Violinsonaten. Die ersten beiden, als op. 12 im Jahr 1798 erschienenen Violinsonaten, widmete Beethoven seinem Lehrer Antonio Salieri. Der junge, ambitionierte Komponist Beethoven, der seit gut 5 Jahren vor allem durch sein Klavierspiel in Wiens prominenten Spielstätten und Adelshäusern verkehrte, legte mit seinem op. 12 zwei Sonaten vor, die bemerkenswerter Weise keineswegs einem Zeitgeist huldigten. In diesen frühen Sonaten - Beethoven war 27 Jahre alt, als er sie komponierte - dominiert in den Ecksätzen das Klavier, brilliant und voller konzertanter Energie. Und in den Mittelsätzen verdichtet sich alles melodiös, bringt reizvolle Dialoge zwischen den Instrumenten hervor.

Unverständnis beim Rezensenten

Aber die Sonaten op. 12, die wie alle insgesamt zehn Violinsonaten Beethovens heute natürlich zur Standardliteratur für die Besetzung Violine und Klavier gehören, lösten zunächst Unverständnis aus. In der "Allgemeine Musikalische Zeitung Leipzig" erschien am 5. Juni 1799 eine ebenso ausführliche wie skeptische Rezension durch Friedrich Rochlitz, die sich im Rückblick als interessantes Zeitzeugnis liest. Auch die Art, wie eine solche Rezension um 1800 entstand, ist interessant: Der Rezensent stellt sich die neuerschienenen Noten aufs Klavier, spielt sie mehr schlecht als recht selbst durch und fällt daraufhin sein Urteil, das dann in dieser damals so repräsentativen Zeitung für die ganze Musikwelt ein Urteil abgab:

"Rec., der bisher die Klaviersachen des Verfassers nicht kannte, muß, nachdem er sich mit vieler Mühe durch diese ganz eigene, mit seltsamen Schwierigkeiten überladene Sonaten durchgearbeitet hat, gestehen, daß ihm bey dem wirklich fleißigen und angestrengten Spiele derselben zu Muthe war, die einem Menschen, der mit einem genialischen Freunde durch einen anlockenden Wald zu lustwandeln gedachte und durch feindliche Verhaue alle Augenblicke aufgehalten, endlich ermüdet und erschöpft ohne Freude herauskam.

Es ist unleugbar, Herr van Beethoven geht einen eigenen Gang; aber was ist das für ein bizarrer mühseliger Gang! Gelehrt, gelehrt und immerfort gelehrt und keine Natur, kein Gesang! Ja, wenn man es genau nimmt, so ist auch nur gelehrte Masse da, ohne gute Methode; eine Sträubigkeit, für die man wenig Interesse fühlt; ein Suchen nach seltener Modulation, ein Ekelthun gegen gewöhnliche Verbindung, ein Anhäufen von Schwierigkeit auf Schwierigkeit, dass man alle Geduld und Freude dabey verliert. Schon hat ein anderer Rec. beynahe dasselbe gesagt, und Rec. muß ihm vollkommen beystimmen. -- Unterdeß soll diese Arbeit darum nicht weggeworfen werden. Sie hat ihren Werth und kann insonderheit als eine Schule für bereits geübte Klavierspieler von großem Nutzen seyn. Es giebt immer manche, die das Ueberschwere in der Erfindung und Zusammensetzung, das, was man Widerhaarig nennen konnte, lieben, und wenn sie diese Sonaten mit aller Präcision spielen, so können sie, neben dem angenehmen Selbstgefühl, immer auch Vergnügen an der Sache selbst empfinden. -- Wenn Herr v. B. sich nur mehr selbst verleugnen, und den Gang der Natur einschlagen wollte, so könnte er bey seinem Talente und Fleiße uns sicher recht viel Gutes für sein Instrument liefern, dessen er so außerordentlich mächtig zu seyn scheint." 

Susanna Yoko Henkel, Violine

Seit die "Welt am Sonntag" sie 2007 zu einer der Erbinnen Anne Sophie Mutters erklärte und das US-Fachmagazin "Strings" sie auf der Titelseite platzierte, ist Susanna Yoko Henkel kein Geheimtipp mehr, sondern eine feste Größe im internationalen Solistengeschäft.

Aus einer deutsch-japanischen Musikerfamilie stammend, bekam sie schon als Zweijährige eine Geige in die Hand und wurde mit zwölf Jungstudentin bei Rainer Kussmaul an der Freiburger Musikhochschule. Ihr Hauptstudium absolvierte sie anschließend in München bei Ana Chumachenko.

Preise bei internationalen Wettbewerben, unter anderem dem Reine-Elisabeth-Wettbewerb, dem Salzburger Mozart-Wettbewerb, dem Tibor-Varga-Wettbewerb in Sion und schließlich dem Deutschen Musikwettbewerb in Berlin begleiteten sie durch ihr Studium und legten den Grundstein für eine intensive Konzerttätigkeit als Solistin und Kammermusikerin. Sie spielte mit mehreren deutschen Rundfunkorchestern, unter anderem auch dem des SWR, und weiteren Orchestern in Deutschland und in Übersee.

Daneben ist Susanna Yoko Henkel eine leidenschaftliche Kammermusikerin. Ihr 2006 gegründetes Kammermusikfestival in Zagreb/Kroatien ist bereits fester Bestandteil des dortigen Kulturlebens. Regelmäßig wird sie auch zu führenden Musikfestspielen eingeladen.

Susanna Yoko Henkel spielt die „Ex Leslie Tate“ Stradivarius-Geige von 1710, eine großzügige Leihgabe aus privatem Besitz. Die Nachwuchsförderung liegt Susanna Yoko Henkel sehr am Herzen und so folgte sie zum 1. Oktober 2010 gerne dem Ruf an die renommierte Hochschule für Musik und Tanz in Köln, Europas größter Musikhochschule.

Milana Chernyavska, Klavier

Um "das Glück des Ganzen" handele es sich, wenn man dem Spiel der ukrainischen Pianistin Milana Chernyavska lausche, urteilte kein Geringerer als Alfred Brendel. Mit sieben Jahren spielte sie ihr erstes Konzert im Großen Saal der Philharmonie ihrer Heimatstadt Kiew, mit zwölf gewann sie erstmals einen Preis in einem internationalen Wettbewerb, dem viele weitere folgen sollten. Nach dem Studium am Tschaikowsky Konservatorium in Kiew folgten ab 1995 Meisterkurse und ein Meisterklasse-Studium unter anderem bei Gerhard Oppitz an der Musikhochschule in München, wo sie inzwischen selbst unterrichtet.

Als Solistin mit verschiedenen Orchestern und als Kammermusikerin gastiert Milana Chernyavska in fast allen Ländern Europas, in Kanada, den USA und Japan, auf international bedeutenden Podien wie der Londoner Wigmore Hall, dem Concertgebouw Amsterdam und dem Münchner Herkulessaal, außerdem bei zahlreichen Festivals, u. a. beim Lucerne Festival, dem Rheingau- und dem Schleswig Holstein Festival und den Schwetzinger Festspielen. Gemeinsam mit ihren Kammermusikpartnern, zu denen auch Julia Fischer, Elisabeth Batiashvili, Daniel Müller-Schott und das Vogler Quartett zählen, hat sie zahlreiche CDs veröffentlicht. Rundfunkaufnahmen entstanden bei verschiedenen deutschen Rundfunkanstalten, bei Radio France, der BBC und dem Staatlichen Rundfunk der Ukraine.

Milana Chernyavska hat sich mit ihrer Dissertation über den „Wertungs- und pädagogischen Aspekt der Interpretationstheorie auch als Musikwissenschaftlerin profiliert.

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld