Musikstück der Woche

Clara Schumann: Klaviertrio g-Moll op. 17

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AUTOR/IN
Thilo Adam

Geldsorgen, ein emotionales Wrack als Ehemann, Fehlgeburt auf Norderney: Es ist der Sommer 1846 und Clara Wieck-Schumann lebt am Limit. Trotz alldem entsteht ihr wohl bedeutendstes Werk: das Klaviertrio g-Moll. Zu ihrem 200. Geburtstag ist es unser Musikstück der Woche, gespielt vom Trio Vivente.

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Das g-Moll-Klaviertrio op. 17 ist Großkunst in Kammermusikdimension: Souveränste Sonatenform in den Sätzen eins (Allegro moderato) und vier (Allegretto); das Scherzo: ein feines Menuett; träumerisch-elegisch das Andante — Stargeiger Joseph Joachim tat sich schwer zu glauben, „eine Frau könne so etwas komponieren, so ernst und tüchtig“.

Tauchen auf eigene Gefahr

Clara tat’s und schaffte es doch nie, sich von den Zweifeln zu lösen, die ihr das Frauenbild der Zeit eingab. „Gar weibisch sentimental“ scheint ihr das Trio neben Stücken ihres Mannes Robert. Der aber lobt poetisch: „Die Perle schwimmt nicht auf der Fläche; sie muss in der Tiefe gesucht werden, selbst mit Gefahr. Clara ist eine Taucherin.“


Forsch und detailreich leuchtet das Trio Vivente diese Tiefe in unserem Musikstück der Woche aus. Die Aufnahme ist Teil des neuen Hörbuches „Lebensmelodien“ von Elke Heidenreich zu Clara Schumanns 200. Geburtstag. Clara, Robert, Johannes – Heidenreich hat sich eigene, persönliche Gedanken zur Dreiecksgeschichte zwischen dem Ehepaar Schumann und dem jungen Johannes Brahms gemacht. Eine Co-Produktion von SWR2 und Random House mit Kammermusik der drei Protagonisten, frisch eingespielt vom Trio Vivente. Als zeitgenössischer musikalischer Kommentar zu Robert Schumanns Seelenkrise: „Eismeer“ von Marc-Aurel Floros.

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Frauenzimmerarbeit ?

„Es geht doch nichts über das Vergnügen, etwas selbst komponiert zu haben und dann zu hören. Es sind einige hübsche Stellen in dem Trio, und wie ich glaube, ist es auch in der Form ziemlich gelungen“, schreibt Clara Schumann 1846 in ihr Tagebuch. Gerade ist ihr Klaviertrio g-Moll op. 17 fertig geworden, bald werden es die Starinterpreten der Epoche im Repertoire haben und prominente Kollegen (Mendelssohn, Ehemann Robert) äußern sich beifällig. Und doch geht Claras Tagebucheintrag so weiter: „aber natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer an der Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt.“

Das Frauenbild jener Zeit lässt einem heute den Mund offen stehen. „Reproductives Genie kann dem schönen Geschlecht zugesprochen werden, wie productives ihm unbedingt abzuerkennen ist“, schreibt etwa der Dirigent Hans von Bülow, Clara Schumann im Sinn. „Eine Componistin wird es niemals geben, nur etwa eine verdruckte Copistin. Ich glaube nicht an das Femininum des Begriffes: Schöpfer. In den Tod verhasst ist mir ferner alles, was nach Frauenemancipation schmeckt.“ Und selbst der sonst gern so leise und weise sich präsentierende Intimfreund Brahms holt bei diesem Thema mit der Axt aus: „Es wird erst dann eine grosse Komponistin geben, wenn der erste Mann ein Kind zur Welt gebracht hat.“

Ernst und tüchtig

Clara Schumanns Klaviertrio widerlegt die hohen Herren – kunstfertig, subtil, elegant und ganz ohne Kraftmeierei. Die expressiven Themen, barockisierende Chromatik, gesangliche Streicher und ein brillanter Klaviersatz sind mustergültig und hochsouverän in klassisch-viersätzige Sonatenform gegossen. Joseph Joachim tat sich schwer zu glauben, „eine Frau könne so etwas componiren, so ernst und tüchtig“. Clara tat’s – und managte obendrein acht Kinder und wirtschaftliche Notlagen, Fehlgeburt und fantasierenden Ehemann.

Die Kritiker sind sich einig: Das Klaviertrio op. 17 krönt ihr kompositorisches Schaffen. Musikalisch gelingt Clara Schumann darin, was gesellschaftlich noch nicht mal Utopie ist: die Gleichberechtigung aller Beteiligten. Anders als im klassischen Klaviertrio, wo Geige und Cello oft nur dezent begleiten, während das Klavier glänzt und sprüht und rauscht, darf hier jeder ran.

Perlentauchen …

Im ersten Satz etwa tauchen die beiden kontrastierenden Kopfthemen zwar nie in der Cellostimme auf, richtungsgebende Motive der Durchführung aber durchaus. Weiter in die klanglichen Möglichkeiten der Streichinstrumente wagt sich das Scherzo vor. Pizzicato und arco, gezupft und gestrichen, tauchen Geige und Cello auf, dann schwellen Haltetöne an und ab; unmöglich am Klavier.

Spezifisch pianistisch wiederum ist, wie im Andante gebrochene Akkorde die elegischen Streicherlinien umspinnen, harfenartig und weitausgreifend. Im letzten Satz dann dringt das erste Thema immer wieder durch, im Mittelteil tänzelt ein gewitztes Fugato vorbei und verdichtet sich schließlich zu einem würdigen Finale. „Die Perle schwimmt nicht auf der Fläche; sie muss in der Tiefe gesucht werden, selbst mit Gefahr“, schrieb Robert Schumann übers Komponieren. „Clara ist eine Taucherin.“

… mit dem Trio Vivente

In unserer Aufnahme schnallt das Trio Vivente die Sauerstoffflaschen auf. Die drei Musikerinnen interpretieren seit einem Vierteljahrhundert gemeinsam das Klaviertrio-Repertoire – quer durch die Epochen, aber immer im Sinne des Ensemblenamens: quicklebendig. Geigerin Anne Katharina Schreiber unterrichtet an der Musikhochschule Freiburg und ist Mitglied des Freiburger Barockorchesters mit dem sie auch als Konzertmeisterin und Solistin live und auf CD zu hören ist. Im selben Orchester war Cellistin Kristin von der Goltz lange Mitglied. Neben ihrer Tätigkeit als Konzertsolistin, hält sie eine Professur für Barockcello in Frankfurt. Pianistin Jutta Ernst legte ihr Solistenexamen in Saarbrücken ab und lehrt an der Musikhochschule ebendort.

Autor: Thilo Adam

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Thilo Adam