Musikstück der Woche vom 10.08.2015

Schwarze Messe

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Alexander Skrjabin: Klaviersonate Nr. 9 op. 68

Der Titel "Schwarze Messe" stammt zwar nicht von Skrjabin selbst, passt aber perfekt zur dunkel-dämonischen Klangwelt dieser Musik. Herbert Schuch spielt auf schwarzen (und auf weißen!) Tasten bei der SWR-Reihe "Internationale Pianisten in Mainz" am 31.10.2008.

Klangvisionär Skrjabin: Musik für alle Sinne

Der Komponist Alexander Skrjabin ist der vielleicht berühmteste Synästhetiker der Musikgeschichte. Er sah beim Hören Farben und hörte beim Farbensehen Töne. Sein großer künstlerischer Wunsch war es, mit dieser Kopplung von Sinnesreizen, die sich bei ihm ganz automatisch einstellte, zu komponieren und sie so für andere erlebbar zu machen. In seiner Sinfonie "Prometheus" aus dem Jahr 1910 kommt deshalb neben einer riesigen Orchesterbesetzung auch ein Farbenklavier zum Einsatz, das verschiedene bunte Lichter in den Konzertsaal projiziert. Einen Schritt weiter ging Skrjabin dann im nächsten Werk, dem "Mysterium": Hier plante er, zusätzlich zu Klang und Farbe auch tänzerische Bewegungen und Düfte einzubeziehen und so den Hörer an einem sinnlichen Gesamtkunstwerk teilhaben zu lassen. Mehrere Tage sollte die Aufführung des "Mysteriums" dauern, und Skrjabin wollte dafür eigens einen Tempel in Indien bauen lassen. Am Ende dieses wagemutigen Stückes sollte die geistige Wiedergeburt stehen: die kosmische Erneuerung des Menschen. Zu alledem kam es aber nicht mehr – Skrjabin starb im Jahr 1915, da hatte er gerade erst ein paar Bruchstücke für sein "Mysterium" komponiert.

Sonaten als Vorstufen zum Mysterium

Skrjabins späte Klaviersonaten sind als Vorstufen zu seinem "Mysterium" gedacht. An der Sonate Nr. 9 arbeitete er seit 1911, erst gut zwei Jahre später war die Komposition fertig. Skrjabin selbst spielte die Uraufführung am 30. September 1913 im Großen Saal der Adligenversammlung in Moskau.

Die Sonate wird oft als "Schwarze Messe" bezeichnet. Der Beiname stammt nicht von Skrjabin selbst (im Gegensatz zur siebten Sonate, die er als "Weiße Messe" bezeichnete). Aber er passt perfekt zu ihrer dunkel-dämonischen Klangwelt. Klagend und geheimnisvoll ist der Beginn, dann steigert sich die Musik mit großer Dramatik und bäumt sich auf zu einem grotesken Marsch. Eines der Hauptthemen hat Skrjabin mit der Spielanweisung "mystérieusement murmuré" versehen – "geheimnisvoll murmelnd". Skrjabin sagte dazu: "Das ist das Thema des heranschleichenden Todes."

Hefe des Universums

"In der neunten Sonate bin ich tiefer als jemals zuvor in Berührung mit dem Satanischen gekommen", so erinnert Skrjabins Freund Leonid Sabanejew eine Äußerung des Komponisten, dort [im Poème satanique op. 36] ist der Satan zu Gast, hier [in der Sonate] ist er zu Hause". Sabanejew schildert auch Skrjabins schillernde Deutung des Begriffes Satan, in dem er nicht nur ein Synonym für das Bedrohliche oder Böse: "Der Satan ist die Hefe des Universums, die keinen Stillstand zulässt – er ist das Prinzip der Aktivität, der Bewegung."

Herbert Schuch

Ein Sieg bei einem Musikwettbewerb ist heute kein Garant mehr für die große Karriere – wenn aber jemand drei renommierte Wettbewerbe in Serie gewinnt, dann wird die Musikwelt hellhörig. So war es bei Herbert Schuch: Er räumte ab beim Casagrande-Wettbewerb, beim London International Piano Competition und beim Internationalen Beethovenwettbewerb Wien – und zwar innerhalb eines Jahres. Seither konzertiert er mit einigen der führenden Orchestern Europas: mit dem London Philharmonic Orchestra, dem Residentie Orkest Den Haag, der Camerata Salzburg, dem RSO Wien, der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, dem Orchestre National de Lyon und den Orchestern der ARD.

Schuch stammt aus Rumänien, siedelte als Kind nach Deutschland über und studierte am Salzburger Mozarteum in der 'Pianistenschmiede' von Karl-Heinz Kämmerling. Besonders geprägt hat ihn auch die Begegnung mit Alfred Brendel. Eines seiner Markenzeichen sind seine dramaturgisch klug zusammengestellten Konzertprogramme, in denen sich die Musikstücke – teils Epochen übergreifend – gegenseitig neu beleuchten.

Dem Publikum und den Veranstaltern gefallen Schuchs musikalische Intelligenz, seine Präsenz und Ernsthaftigkeit beim Musikmachen und sein unprätentiöses Auftreten. Neben seinen solistischen Programmen widmet sich Herbert Schuch auch mit Herzblut der Kammermusik – geweckt wurde sein Interesse durch eigenes Geigenspiel in der Kinderzeit. Er teilt es mit Musikern wie Adrian Brendel, Veronika Eberle, Julia Fischer, Marie-Elisabeth Hecker, Alina Pogostkina, Martin Spangenberg.

Außerdem engagiert sich Herbert Schuch bei "Rhapsody in School"; einer Organisation, die der Pianist Lars Vogt gegründet hat und die sich für die Vermittlung von Klassik in Schulen einsetzt.

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Doris Blaich