Musikstück der Woche vom 12.03. bis 18.03.2012

Musik auf Rezept

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Seinem Cello spielenden Psychiater widmete Sergej Rachmaninow das berühmte zweite Klavierkonzert und schrieb ihm eine Sonate. Dieser Dank für die Genesung zählt zu Rachmaninows großartigsten Werken.

Daniel Müller-Schott und Christopher Tainton spielten die Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 19 von Sergej Rachmaninow beim Bruchsaler Schlosskonzert am 23. Januar 2009.

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Hypnotisierend

1900 war ein wichtiges Jahr für Rachmaninow: Endlich komponierte er wieder. Denn nachdem seine 1. Sinfonie 1897 mit vernichtenden Kritiken überschüttet worden war, verfiel Rachmaninow - ohnehin keine Frohnatur - in eine tiefe Depression. Freunde rieten ihm, sich Doktor Dahl anzuvertrauen. Nikolai Dahl war einer der russischen Pioniere auf dem Gebiet der Psychiatrie und behandelte Rachmaninow mit den neuen Mitteln der Hypnose. Später erinnerte sich Rachmaninow: "Ich hörte die gleichen hypnotischen Formeln Tag für Tag wiederholt, während ich schlafend in Dahls Behandlungszimmer lag. 'Du wirst dein Konzert schreiben… du wirst mit großer Leichtigkeit arbeiten… Das Konzert wird von exzellenter Qualität sein…' Es waren immer dieselben Worte, ohne Unterbrechung. Auch wenn es unglaublich erscheint, diese Therapie half mir wirklich. Im Sommer begann ich zu komponieren. Das Material wuchs, und neue musikalische Ideen begannen sich in mir zu regen."

Das half. Rachmaninow schrieb sein Konzert. Und was für eines! Drei Jahre nach dem Desaster der ersten Sinfonie kam "Rach Zwo", Rachmaninows zweites Klavierkonzert c-Moll op. 18, das wohl berühmteste Klavierkonzert der Romantik. Der Knoten war mit diesem Werk geplatzt – und gewidmet hat Rachmaninow daher dieses Konzert demjenigen, der in seinen Augen den Erfolg überhaupt erst ermöglichte, nämlich seinem Arzt Nikolai Dahl.

Aber das war Rachmaninow als Dank nicht genug. Dahl, der ein passabler Amateurcellist war, inspirierte ihn obendrein zu einer Sonate für Violoncello. Und mehr noch als im Klavierkonzert sah Rachmaninows Kollege Anton Arenksi vor allem in dieser 1901 komponierten Sonate g-Moll op. 19 einen Wendepunkt in Rachmaninows künstlerischer Entwicklung. Die Cellosonate ist voll melodischem und harmonischem Reichtum und von einer besonderen emotionalen Dichte. Virtuosität ist hier nie Selbstzweck – der Klaviervirtuose Rachmaninow wusste Virtuosität natürlich auch geschickt zu platzieren. Aber in der Cellosonate ist alles eher Ausdruck als Zweck.

Manche Kritiker stellen diese Sonate sogar über das zweite Klavierkonzert. Eine große Ehre für ein so besonderes Werk, das den Schaffensrausch dokumentiert, mit dem Rachmaninow seine persönliche Krisensituation beendete.

Daniel Müller-Schott - Violoncello

Daniel Müller-Schott hat keine Wunderkind-Karriere gemacht und trotzdem mit 15 den sagenumwobenen Tschaikowsky-Wettbewerb für junge Musiker in Moskau gewonnen. Seine musikalische Entwicklung vollzog sich ganz unspektakulär, aber klar und stetig. Technische Souveränität und interpretatorische Gelassenheit auch bei der allerschwierigsten Literatur kennzeichnen seine Konzerte und Aufnahmen. Und wenn manche Musiker sich erst im hohen Alter reif für Bachs Solowerke fühlen, so gilt für Daniel Müller-Schott das Gegenteil. Er beeindruckte Publikum und Fachpresse, indem er mit dem Allerheiligsten der Celloliteratur, den sechs Solosuiten von Bach, sein CD-Debut gab – und damit einen großen Wurf landete. Inzwischen, acht Jahre später, umfasst seine Diskographie ein gutes Dutzend CDs, ein großer Teil davon wurde mit höchsten Preisen ausgezeichnet, wie dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik, dem Gramophone Editor’s Choice und der Strad Selection.

Daniel Müller-Schott stammt aus München, ein musikalisches Elternhaus und von Anfang an hervorragende Lehrer unterstützten seine Entwicklung. Neben seinem Studium bei Walter Nothas, Heinrich Schiff und Steven Isserlis erhielt er persönliche Förderung durch Anne-Sophie Mutter und ihre Stiftung. Mit der Geigerin und dem Pianisten Sir André Previn hat er auch schon musiziert und eine CD mit Klaviertrios von Wolfgang Amadeus Mozart eingespielt.

Heute konzertiert der junge Cellist unter berühmten Dirigenten wie Charles Dutoit, Christoph Eschenbach, Michael Gielen und Kurt Masur und arbeitet mit Orchestern wie dem New York Philharmonic, dem Boston Symphony, dem Chicago Symphony und dem Philadelphia Orchestra in den USA sowie zahlreichen renommierten europäischen Orchestern zusammen. Auch bei den großen und kleinen Musikfestivals von Mecklenburg-Vorpommern bis Tanglewood ist er ständiger und gern gesehener Gast.

Sein Instrument stammt aus der Werkstatt des Venezianers Matteo Goffriler, es ist das „Ex Shapiro“ aus dem Jahr 1727.

Christopher Tainton - Klavier

Der Pianist Christopher Tainton, gebürtiger Hamburger, wurde zunächst von seiner Mutter unterrichtet, kam aber schon mit elf Jahren in die Klavierbegabtenschmiede von Karl-Heinz Kämmerling in Hannover. Nachdem er mehrere Jugendwettbewerbe gewonnen hatte, wurde er von der Deutschen Stiftung Musikleben und der Studienstiftung des Deutschen Volkes gefördert. Nach weiteren Studien am Mozarteum Salzburg und in Berlin führten ihn Konzertreisen ins europäische Ausland, in die USA, nach Russland und nach China. Insbesondere eine  Chinareise in Begleitung des Bundespräsidenten zählt für ihn zu den Höhepunkten der letzten Jahre. Eine der prägenden Persönlichkeiten in seinem künstlerischen Leben war der Pianist und Dirigent Christoph Eschenbach, mit dem er seit frühester Jugend zusammenarbeitet. Beeinflusst hat ihn auch der Komponist Hans Werner Henze, dessen erstes Klavierkonzert er mit dem NDR Sinfonieorchester unter Peter Ruzicka aufgenommen hat. Neben seiner solistischen Tätigkeit ist Tainton ein gefragter Kammermusiker. Daniel Müller-Schott und Baiba Skride gehören zu seinen bevorzugten Partnern.

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Kerstin Unseld