Musikstück der Woche vom 21.11. bis 27.11.2011

Klappe halten

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Als es plötzlich an den Trompeten Klappen und nicht mehr nur Grifflöcher gab, feierten Komponisten freudig diese neue Erfindung. Einer der Begeisterten war Joseph Haydn.

Haydns Trompetenkonzert Es-Dur war das erste Werk, das für diese im Jahr 1796 'neue' Klappentrompeten geschrieben wurde. Sir Roger Norrington dirigierte in der SWR-Aufnahme dieses Werks am 11.12.2007 in der Stuttgarter Liederhalle das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR. Solist war Thomas Hammes, der junge Solotrompeter des Orchesters.

Joseph Haydn (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)

Technik-Show in Halbtönen

Haydns Trompetenkonzert verdanken wir in zweifacher Hinsicht dem Hoftrompeter und Instrumententüftler Anton Weidinger. Haydn und Weidinger kannten sich. Während Haydn in den späten 1790er Jahren seine „Paukenmesse“ komponierte und an der „Schöpfung arbeitete, heiratete Weidingers Tochter – und Haydn war als Trauzeuge dabei. Man sprach über dies und das, und Weidinger hatte etwas zu erzählen: Er hatte eine neue Trompete erfunden, eine, die mittels Klappentechnik die leidigen Klang-Probleme der Naturtrompeten im Handstreich löste und vor allem mehr als die Naturtonreihe spielbar machte. Eine bahnbrechende Erfindung im Instrumentenbau war das. Haydn muss fasziniert gewesen sein. Intonationsschwierigkeiten und das ziemlich eingeschränkte Spektrum der Naturtöne auf der Trompete gehörten damit der Vergangenheit an. Welch ein Reiz musste diese Aussicht für einen Komponisten gehabt haben, dass eine Trompete plötzlich alle Töne hervorbringen konnte. Haydn jedenfalls ließ sich von Weidinger in seiner Begeisterung anstecken und schrieb ihm ein Konzert. Dieses erste Werk für das neue, bahnbrechende Instrument ist bis heute auch das erfolgreichste und meistgespielte Konzert für Trompete überhaupt. Hoftrompeter Weidinger als der ‚Anstifter‘ des Werks war auch sein erster Solist, als es 1800 mit großem Erfolg uraufgeführt wurde.

Das erste Solo der Trompete muss bei damaligen Hörern und Musikern ein Staunen verursacht haben. Noch nie hatten sie gehört, wie eine Trompetenstimme sich in einer Tonleiter aus Sechzehntelnoten bis zum hohen g emporschwingt und dann in einem Dreiklang wieder nach unten fällt um auf einem klingenden as zu landen, einem bis dato unspielbaren Ton. Haydn feiert die Trompete, indem er sie Triller und Chromatik, Eleganz und Gesanglichkeit spielen lässt – eine sensationelle Technikshow, die genußvoll Leittöne und Halbtonschritte zelebriert und doch nie technisch sondern hochmusikalisch und natürlich klingt.

Die Entwicklung der Trompete war mit der Erfindung der Klappentrompete nicht abgeschlossen. Es folgte 1813 noch die Ventiltrompete, eine Entwicklung, die Haydn nicht mehr erlebte. Aber mit dieser Entwicklung mag es zusammenhängen, dass Haydns Trompetenkonzert erst 1929 im Druck erschien. Denn das ist für ein damals so bemerkenswertes und zukunftsweisendes, vor allem aber ein so populäres Werk wie Haydns Trompetenkonzert, das zudem seine letzte Konzertkomposition war, sehr ungewöhnlich.

Thomas Hammes, Trompete

Seit der Spielzeit 2001/2002 ist Thomas Hammes Solotrompeter im Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart des SWR unter Leitung von Sir Roger Norrington. Zuvor war er seit 1999/2000 als stellvertretender Solo-Trompeter im Münchener Rundfunkorchester des Bayerischen Rundfunks fest angestellt.  

Darüber hinaus ist Thomas Hammes ein gefragter Solist und Kammermusiker bei deutschen Musikfestivals wie den Mosel-Festwochen, dem Festival „Mitte Europa“, dem Brandenburg Musikfestival, dem Schleswig Holstein Musikfestival, den Festspielen Mecklenburg Vorpommern, den Musikfestspielen Saar, den Eckelshausener Musiktagen und dem Kissinger Winterzauber. 

Thomas Hammes musiziert mit Kammermusikgruppen wie German Brass ,  London Brass, HR Brass, Stuttgart Radio Brass, dem Rennquintett und Opera Brass München. Als Solist tritt er unter anderem mit dem Staatstheater Oldenburg, den Nürnberger Symphonikern, dem Rundfunkorchester Kaiserslautern des SWR und dem Stadttheater Aachen erfolgreich auf. 

Den Grundstein für seine Karriere legte der 1978 in Osann-Monzel/ Mosel geborene Thomas Hammes bereits mit dem ersten Trompetenunterricht im Alter von sieben Jahren im heimischen Musikverein.Als 15-jähriger wurde er Jungstudent an der Hochschule für Musik und Theater in Saarbrücken, 1998 erhielt Thomas Hammes sowohl ein Stipendium der Landesstiftung „Villa Musica“ als auch die Berufung als Solo-Trompeter ins Europäische Jugendorchester (EUYO) und ins Gustav Mahler Jugendorchester (GMJO). 1999 setzte Thomas Hammes seine Ausbildung an der Herbert von Karajan Akademie des Berliner Philharmonischen Orchesters fort, wo er Schüler von Martin Kretzer wurde. 2004 absolvierte er sein „Solistendiplom“ an der Musikakademie Basel bei Prof. Klaus Schuhwerk.

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR

Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR spielt jährlich rund 90 Konzerte im Sendegebiet des Südwestrundfunks, in den nationalen und internationalen Musikzentren und bei bedeutenden Musikfestspielen. Das Orchester pflegt das klassisch-romantische Repertoire in exemplarischen Interpretationen und setzt sich mit Nachdruck für zeitgenössische Musik und selten aufgeführte Komponisten und Werke ein. Bis heute hat es mehr als 500 Werke uraufgeführt.

Viele namhafte Dirigentenpersönlichkeiten haben das RSO in den letzten 60 Jahren geprägt, unter Ihnen Sergiu Celibidache, Carl Schuricht, Sir Georg Solti, Giuseppe Sinopoli, Carlos Kleiber, Sir Neville Marriner, Georges Prêtre und Herbert Blomstedt. Ebenso konzertieren regelmäßig hochkarätige Solisten aller Generationen beim RSO.

Von 1998 bis 2011 war Sir Roger Norrington Chefdirigent des Radio-Sinfonieorchesters des SWR Stuttgart. Er verlieh dem Orchester ein unverwechselbares klangliches Profil durch die Verbindung von historisch informierter Aufführungspraxis mit den Mitteln eines modernen Sinfonieorchesters. Ergebnis dieser Synthese ist ein reiner Klang, der von der Presse gerne als "Stuttgart Sound" bezeichnet wurde. Norrington verlies zum Ende der Saison 2010/11 das Radio-Sinfonieorchester des SWR Stuttgart und wurde mit 76 Jahren neuer Chefdirigent des Zürcher Kammerorchesters.

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Kerstin Unseld