Musikstück der Woche vom 17.10 bis 23.10.2011

Klangsynthese Bach

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Als Franz Liszt sich für die Musik von Johann Sebastian Bach begeisterte, war diese fast vergessen. Liszt holte Bach zurück in seine Welt, in die Welt des Klaviers.

David Theodor Schmidt fasziniert nun mit einer Neueinspielung dieser Liszt-Transkriptionen. Was im Liszt-Jahr 2011 zum Repertoire dazugehört ist außerdem zu einer Aufnahme geworden, die überzeugend auch eine Lanze bricht für eine fast vergessene zumindest aber vernachlässigte 'Gattung' der Klaviermusik.

Bach im neuen (Klang-)Gewandt

1855 war ein gutes Jahrhundert seit dem Tod von Johann Sebastian Bach vergangen, als Franz Liszt im Merseburger Dom erstmals wieder Bachs bekannteste Orgelwerke - Präludium und Fuge über "B-A-C-H" und die Fantasie und Fuge über "Ad nos" – spielte. Aber Liszt spielte Bach transkribiert und damit nach seiner Fasson: Bach im orchestral anmutenden, romantischen Gewand. Und Liszt schuf damit nicht nur einen neuen Orgelklang sondern vor allem auch einen neuen 'Bach', einen nach modernem Schnittmuster.

Liszt holte sich außerdem "seinen" Bach auch auf "sein" Instrument, und Klaviertranskriptionen wurden, ganz im Geiste der Zeit, zu einem Markenzeichen Liszts und zu seiner individuellen Bach-Renaissance. Später galten derartig romantische Bearbeitungen lange als 'unfein' weil unhistorisch. Heute rücken diese mit großer Sorgfalt gemachten Transkriptionen von Liszt durch Interpretationen wie die von David Theodor Schmidt verdientermaßen wieder ins Blickfeld.

Pianist Franz Liszt (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa - picture alliance / dpa)

Liszt war der erste, der sich ernsthaft mit polyphonem Orgelspiel auseinandersetzte und damit Bach dem Publikum seiner Zeit nahebrachte. Er veröffentlichte eine Ausgabe von Bachs Orgelmusik und fügte dieser einen zweiten Band hinzu. Dieser zweite Band enthielt Liszts Bach-Transkriptionen wie z.B. auch die "Sechs Präludien und Fugen für die Orgel-pedal und -manual von Johann Sebastian Bach. Für das Pianoforte zu zwei Händen gesetzt von Franz Liszt".

Vor allem die Transkriptionen inspirierten Generationen von Pianisten und Komponisten, die alle ihre Bach-Verehrung mit eigenen Transkriptionen audrückten: unter ihnen Johannes Brahms, Camille Saint-Saëns, Eugen d’Albert, Ferrucio Busoni, Max Reger, Percy Grainger, Sergej Rachmaninow und Bela Bartók. Sie alle vermittelten Bachs Musik auf dem Klavier, auf jenem Instrument also, das ihnen am nächsten stand. Nähe zu Bach wurde über das Instrument der eigenen Zeit, nicht über das Instrument aus Bachs Zeit hergestellt.

Diesen Paradigmenwechsel, den letztlich erst die historisch informierte Aufführungspraxis geändert hat, dreht eine Aufführung von Liszts Klaviertranskriptionen heute zurück – mit dem guten Gefühl, die wesensmäßigen Vorzüge des Klaviers zu nutzen. Aber heute ist Liszts Bach mehr als ein Blick zurück in die Musikgeschichte. Er scheint wie eine gelungene Synthese von Musikgeschichte, die eine Ästhetik aus verschiedenen Epochen vereint und darin eine ureigene, sehr klare und moderne Sprache findet. Zumindest führt das David Theodor Schmidt in seiner Aufnahme so vor.

Wie 'übersetzte' Listz die Musik Bachs? Liszt verdoppelte vor allem die Bassnoten. Auch das Tonhaltepedal war ihm ein beliebtes Mittel um einerseits den Klang zu färben, andererseits Töne zu halten, wenn die Finger es – anders als auf der Orgel – am Klavier nicht auf Dauer können. Vor allem Stücke für Pedalorgel zeichnen sich ja dadurch aus, dass die tiefste Stimme besonders majestätisch klingt.

Liszt verdoppelte daher für das Klavier wann immer möglich die Baßstimme. Der Pedalpart wird in der Regel in Oktaven gespielt. Und das war’s im Prinzip schon, denn ansonsten verzichtete Liszt auf grundsätzliche Änderungen. Die Vorlage scheint ihm heilig gewesen zu sein. Das sieht man auch daran, dass der als gründlich geltende Komponist weder Tempo-, noch Dynamikangaben oder Phrasierungsvorschriften ergänzte sonder alles im Original beließ.

David Theodor Schmidt

Die Süddeutsche Zeitung bezeichnet ihn als den "neuen Schwarm aller Klavierbegeisterten", die Financial Times Deutschland nennt sein Spiel ein "Klangerlebnis" und das Fachmagazin Rondo urteilt kurz und bündig: "Meisterlich. Packend, ja, ergreifend. Großartig.": Der deutsche Pianist David Theodor Schmidt, Jahrgang 1982, gehört zu den Musikern der jungen Generation, die bereits große Anerkennung in der Musikwelt genießen.

Geboren in Erlangen, entdeckte Schmidt erst mit 15 Jahren das Klavierspiel für sich, studierte schließlich in Karlsruhe bei Sontraud Speidel und später am Royal College of Music London bei Kevin Kenner. Er ist Preisträger und Stipendiat bedeutender Organisationen, wie des DAAD, der Zeit-Stiftung (in der deutschen Stiftung Musikleben) und der Chopin Gesellschaft Hannover. Im November 2009 wurde ihm zudem der renommierte Bayerische Kunstförderpreis des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst verliehen.

Schmidt geht einer regen Konzerttätigkeit nach, die zu Einladungen zu Rezitals wie auch Orchesterkonzerten in bedeutende Säle in Deutschland und dem europäischen Ausland führte. Seine Auftritte werden von der Presse enthusiastisch aufgenommen, so hebt  beispielsweise die Zeitung Molwa (Russland) "seine hohe Kultur als Pianist, seine Reife, seine glänzende Technik und Vielfalt pianistischer Ausdrucksmöglichkeiten" hervor.

Neben Rundfunk- und Fernsehaufnahmen erregten die CDs des jungen Pianisten besondere Aufmerksamkeit. Auf ihnen setzt sich David Theodor Schmidt mit den Werken Bachs und der deutsch-österreichischen Romantik auseinander, die neben der Wiener Klassik die Schwerpunkte seines Repertoires ausmachen. Die Aufnahmen wurden in Presse und Rundfunk im In- und Ausland hoch gelobt; u.a. zeichnete das Fachmagazin Fono Forum seine letzte CD mit Werken von Mendelssohn, Schubert und Brahms mit dem Stern des Monats aus.

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Kerstin Unseld