Musikstück der Woche vom 19. bis 25.9.2011

Feierabend!

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 8 G-Dur „Le soir“

Morgen – Mittag – Abend: Haydn hat als junger Mann aus den drei Tageszeiten Sinfonien gemacht. Der „Abend“ ist unser Musikstück der Woche, gespielt vom SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Sylvain Cambreling ist der Dirigent. Ein Mitschnitt aus dem Freiburger Konzerthaus vom Mai 2000.

Diese Sinfonie beginnt mit dem Finale: Einem lebhaften Tanz im 3/8-Takt. Getanzt wird in Haydns Sinfonien üblicherweise erst am Schluss bzw. – auf sehr zeremonielle Weise – in der Mitte, dem Menuett. Ein tänzerischer erster Satz ist dagegen absolut ungewöhnlich. Aber diese Sinfonie ist auch keine ‚normale‘ Sinfonie. Sie ist das Schluss-Stück von Haydns Tageszeiten-Zyklus: Der Feierabend.

Antritts-Sinfonien

1761 wird Haydn Vizekapellmeister beim Fürsten Paul Anton Esterházy. Die drei Tageszeiten-Sinfonien – „Le matin“, „Le midi“ und unsere ‚Musikstück-Sinfonie‘ „Le soir“ – zählen zu den ersten Kompositionen, mit denen sich Haydn in der neuen Position präsentiert. Musik ist schon damals ein beliebtes Mittel fürstlicher Repräsentation. Und Haydns neue Sinfonien erleben ihre Uraufführung nicht irgendwo in der Provinz, sondern im großen Saal des Palais Esterházy in Wien.

Haydn kann also davon ausgehen, dass man ziemlich genau hinschaut und hinhört, was ‚der Neue‘ zu bieten hat. Und er zeigt es natürlich: zum einen mit dem musikalischen Potential der neuen Sinfonien, die auf die Zeitgenossen unerhört innovativ wirken. Und zum anderen mit einer sehr klugen Personalpolitik: Er hat mit dem Orchester ausgiebig geprobt, manch neuen Musiker eingestellt, und jetzt darf jedes Instrument seine Qualitäten im Rampenlicht zeigen, in einem Solo: Im zweiten Satz sind es zwei Geigen, die in einen innigen Dialog treten mit einem Solocello und einem Fagott. Im Trio, dem Mittelstück des Menuett-Satzes, baut Haydn ein Kontrabass-Solo ein. Und auch das gesamte Orchester zeigt sich in bestem Licht: Die Sinfonie endet mit einem Presto-Gewitter mit prasselndem Regen, zuckenden Blitzen und wilden Stürmen – ohne Pauken zwar, aber dennoch von großer Dramatik, weil die Musik hier wild durch alle Tonarten jagt, sich zu großen Gewitterwolken aufballt und sich dann kraftvoll entlädt.

Was bisher geschah...

Übrigens: „Morgen“ und „Mittag“ waren bereits SWR2 Musikstücke der Woche. Sie können die Sinfonien in unserem Archiv nachhören: 

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Sylvain Cambreling dirigiert (Foto: SWR, SWR -)
Der Dirigent des SWR Sinfonieorchesters Sylvain Cambreling

Die Geschichte des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg reicht in das Jahr 1946 zurück. Sie ist geprägt von unroutiniertem Umgang mit der Tradition, Aufgeschlossenheit für das Neue und Ungewöhnliche: Tugenden, über die auch der langjährige Chefdirigent Sylvain Cambreling in ungewöhnlichem Maße verfügt. Seit 1999 hat er mit dem Orchester gearbeitet. In dieser Konzertsaison übergibt er den Chefdirigenten-Stab seinem Nachfolger Francois-Xavier Roth.

Dass man mit hohen Ansprüchen Erfolg haben kann, beweist das Orchester bis heute. Mehr als 300 von ihm eingespielte Kompositionen sind auf CD erschienen, und es reist seit 1949 als musikalischer Botschafter durch die Welt. Zahlreiche Gastspiele verzeichnet die Orchesterchronik, darunter regelmäßig zum Festival d’Automne Paris, den Salzburger Festspielen, nach Wien, Berlin und Edinburgh, Brüssel, Luzern, Strasbourg, Frankfurt... 

Das Sinfonieorchester Baden-Baden Freiburg (Foto: SWR, SWR - Klaus Polkowski)
Das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

1999 spielte das Orchester in der New Yorker Carnegie Hall u.a. die amerikanische Erstaufführung von Bernd Alois Zimmermanns "Requiem für einen jungen Dichter". Vielbeachtete Großprojekte fanden in den letzten Jahren unter anderem bei den Salzburger Festspielen, bei der 1. RUHRtriennale und in der Kulturhauptstadt Europas Graz statt. 2005/06 wurden - neben dem orchestereigenen 60. Geburtstag - sowohl Mozarts 250. als auch Helmut Lachenmanns 70. Geburtstag in etwa einem Dutzend Konzerten zwischen Wien und Paris, Brüssel und Berlin gefeiert.

Ungewöhnliche Konzert-Konzepte unterstreichen das besondere Profil des Orchesters: So etwa die Verschränkung von Haydns "Sieben letzten Worten" in einer den Raum einbeziehenden Bearbeitung von Sylvain Cambreling mit Messiaens "Et exspecto resurrectionem mortuorum" und literarisch-theologischen Betrachtungen von Martin Mosebach, oder eine "Hommage à Mozart" gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester.

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich