Musikstück der Woche vom 8.8. bis 14.8.2011

Bon sens für Cello

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Johannes Moser und das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR spielen Camille Saint-Saëns' erstes Cellokonzert, für dessen Interpretation sie hochgelobt und ausgezeichnet wurden.

Als Paradestück für jeden Cellisten zählt dieses Werk aus dem Jahr 1872 zu den beliebtesten Standards des Klassikbetriebs. Die Aufnahme mit Fabrice Bollon am Pult des Orchesters entstand am 4.7.2007 im Theaterhaus Stuttgart.

Französisch aus Prinzip

Camille Saint-Saëns sei, so sagte Romain Rolland, ein Mann gewesen, "den keine Leidenschaften quälen". Einer mit dunklem Teint und nervöser Disposition, feinen scharfen Gesichtszügen und klaren, wachen Augen. Angeblich hatte er eine bemerkenswert schrille und laute Stimme und sprach so schnell, dass es schwerfiel, ihm zu folgen. Er sei, so sagte Gabriel Fauré über Camille Saint-Saëns, sein ältester und liebster Freund und vor allem der "vollkommenste Musiker, den wir je hatten, vergleichbar mit den großen Meistern vergangener Tage. Sein unbegrenztes Wissen, seine wunderbare Technik, seine klare, erlesene Sensibilität, seine Integrität, die Vielfalt und erstaunliche Zahl seiner Werke—rechtfertigt dies alles nicht für ewige Zeiten seinen Anspruch auf Anerkennung?" Das Cellokonzert mag da die Antwort sein. Vielleicht? Bestimmt jedoch ist diesem Werk des Komponisten quasi für ewige Zeiten seine Anerkennung als eines der Paradestücke für Cellisten.

Dirigent Fabrice Bollon schwingt vor dem Orchester den Taktstock (Foto: SWR, SWR - Foto: Andrea Kremper)
Fabrice Bollon

Saint-Saëns, das Wunderkind mit Mozart-ähnlicher Begabung, das mit 4 Jahren zu komponieren begann und mit 17 seine erste Sinfonie schrieb, komponierte sein erstes Cellokonzert 1872. In diesem Jahr mischte er in der Zeitschrift "La Renaissance litéraire et artistique" unter seinem Pseudonym "Phémis" an einer Feuilletonschlacht mit und setzte sich engagiert für französische Musik und ihre Komponisten ein. Seiner theoretischen-feuilletonistischen Forderung ließ er quasi klingende Taten folgen, schrieb sein Cellokonzert für Auguste Tolbeque, den von der Société des Concerts du Conservatoire hochgeschätzten belgischen Cellisten, der  Saint-Saëns' Konzert auch im Conservatoire uraufführte. Mit 37 Jahren war Saint-Saëns da längst im französischen Musik-Establishment angekommen.

Seinen Charme verströmt dieses zwar dreiteilige und doch einsätzige Werk bis heute, und Hörer wie Interpreten unterschreiben gerne Hans von Bülows Urteil, es sei voller "Technik und Eleganz, bon sens und Originalität, Logik und Anmut".

Johannes Moser, Violoncello

Vom Grammophone Magazine wurde Johannes Moser als "einer der Hervorragendsten in der erstaunlichen Riege junger Cello-Virtuosen" gefeiert. Der 1979 in München geborene Sohn einer renommierten deutsch-kanadischen Musikerfamilie begann im Alter von acht Jahren mit dem Cellospiel und wurde 1997 Student von David Geringas. 2002 gewann er den Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau und erhielt zusätzlich den Sonderpreis für seine Interpretation der Rokoko-Variationen.

Johannes Moser konzertiert weltweit mit den führenden Orchestern wie dem Chicago Symphony Orchestra, Los Angeles Philharmonic, New York Philharmonic, London Symphony Orchestra, Koninklijk Concertgebouworkest, Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Münchner Philharmoniker, Tokyo Symphony Orchestra und Israel Philharmonic Orchestra unter Dirigenten wie Herbert Blomstedt, Pierre Boulez, Valery Gergiev, Lorin Maazel, Zubin Mehta, Riccardo Muti, Christian Thielemann und Franz Welser-Möst.

Für seine Aufnahmen bei hänssler CLASSIC wurde Johannes Moser zweimal mit dem ECHO Klassik geehrt. Seine Einspielung der Werke für Cello und Orchester von Saint-Saëns mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR wurde von Classics Today in die "Top 10 CDs of 2008" gewählt.

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR

Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR spielt jährlich rund 90 Konzerte im Sendegebiet des Südwestrundfunks, in den nationalen und internationalen Musikzentren und bei bedeutenden Musikfestspielen. Das Orchester pflegt das klassisch-romantische Repertoire in exemplarischen Interpretationen und setzt sich mit Nachdruck für zeitgenössische Musik und selten aufgeführte Komponisten und Werke ein. Bis heute hat es mehr als 500 Werke uraufgeführt.

Viele namhafte Dirigentenpersönlichkeiten haben das RSO in den letzten 60 Jahren geprägt, unter Ihnen Sergiu Celibidache, Carl Schuricht, Sir Georg Solti, Giuseppe Sinopoli, Carlos Kleiber, Sir Neville Marriner, Georges Prêtre und Herbert Blomstedt. Ebenso konzertieren regelmäßig hochkarätige Solisten aller Generationen beim RSO.

Zur Saison 2011/2012 tritt der Franzose Stéphane Denève seine Stelle als Chefdirigent beim Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR an und löst damit Sir Roger Norrington ab, der dem Orchester seit 1998 als Chefdirigent vorstand.

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Kerstin Unseld