Musikstück der Woche 28.2.-6.3.2011

Haydns Erste

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 1 D-Dur

Die Sinfonie war Haydns Experimentierlabor. In seinen über 100 Werken dieser Gattung überrascht er immer wieder aufs Neue und schafft gleichzeitig Kompositionen von klassischer Größe. In seiner Ersten (mit 25 geschrieben) stecken schon einige Kunstgriffe, die später zu Haydns Markenzeichen werden. Gerard Korsten dirigiert das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg.

Eine Anstellung als Hofkapellmeister bei einem reichen Adligen – das war im 18. Jahrhundert für Musiker die oberste Sprosse der Karriereleiter. Joseph Haydn schielte lange nach einer solchen Position; bis es soweit war, musste er sich „in unterrichtung der Jugend ganze 8 Jahr Kumerhaft herumschleppen“. Mit 25 bot sich ihm endlich eine passable Stellung: Er wurde Musikdirektor beim Grafen Ferdinand Maximilian Franz Morzin. Sein Gehalt war mit 200 Gulden zwar recht spärlich (ein paar Jahre später verdiente er gut das Doppelte), aber immerhin kam eine Dienstwohnung und „Kost an der Offizanten-Tafel“ dazu – das heißt, er speiste getrennt von den übrigen Musikern, was seine hierarchische Stellung deutlich hervorhob. Der Hof des Grafen weilte – wie für viele Adlige üblich – im Winter in Wien oder Prag, im Sommer auf dem Landsitz: Schloß Lukavec bei Pilsen.

Mannheim in Wien

Joseph Haydn (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)

Vermutlich 1757, im ersten Dienstjahr bei Graf Morzin, schrieb Haydn seine erste Sinfonie. Sie beginnt mit einem aufsteigenden großen Crescendo, das zwar mit sattsam bekannten Mitteln und Floskeln gestaltet ist, aber dennoch sehr effektvoll wirkt. Die Tonart D-Dur – Inbegriff des musikalischen Jubels und der Prachtentfaltung – feiert sich mit viel Pomp selbst. In seiner auftrumpfenden Geste wirkt dieser Beginn direkt von den Kollegen der Mannheimer Hofkapelle inspiriert, wenn nicht sogar abgelauscht. Das gilt auch für den bemerkenswert erregten Tonfall des Satzes mit seinen häufigen, vorwärtsdrängenden Tremoli und Skalen. Weit entfernt davon ist indessen die Konzentration der Form und die Ökonomie, mit der Haydn die musikalischen Themen behandelt. Beides wird in seinen späteren Sinfonien zu seinem Markenzeichen werden. Auch Haydns Gespür für dramatische, beinahe theatralische Effekte macht sich bereits in dieser ersten Sinfonie bemerkbar – vor allem im Kopfsatz. Die beiden anderen Sätze wirken hübsch, aber deutlich konventioneller: Ein Andante in galant-elegantem Tonfall und ein knappes, kurzweiliges Finale.

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg

Die Geschichte des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg reicht in das Jahr 1946 zurück. Sie ist geprägt von unroutiniertem Umgang mit der Tradition, Aufgeschlossenheit für das Neue und Ungewöhnliche: Tugenden, über die auch Chefdirigent Sylvain Cambreling in ungewöhnlichem Maße verfügt, der seit 1999 mit dem Orchester arbeitet. Er bildet, zusammen mit seinem Vorgänger Michael Gielen und Hans Zender als ständigen Gastdirigenten, ein Triumvirat, wie es in der internationalen Orchesterlandschaft beispiellos ist. 

Dass man mit hohen Ansprüchen Erfolg haben kann, beweist das Orchester bis heute. Mehr als 300 von ihm eingespielte Kompositionen sind auf CD erschienen, und es reist seit 1949 als musikalischer Botschafter durch die Welt. Zahlreiche Gastspiele verzeichnet die Orchesterchronik, darunter regelmäßig zum Festival d’Automne Paris, den Salzburger Festspielen, nach Wien, Berlin und Edinburgh, Brüssel, Luzern, Strasbourg, Frankfurt... 

1999 spielte das Orchester in der New Yorker Carnegie Hall u.a. die amerikanische Erstaufführung von Bernd Alois Zimmermanns "Requiem für einen jungen Dichter". Vielbeachtete Großprojekte fanden in den letzten Jahren unter anderem bei den Salzburger Festspielen, bei der 1. RUHRtriennale und in der Kulturhauptstadt Europas Graz statt. 2005/06 wurden - neben dem orchestereigenen 60. Geburtstag - sowohl Mozarts 250. als auch Helmut Lachenmanns 70. Geburtstag in etwa einem Dutzend Konzerten zwischen Wien und Paris, Brüssel und Berlin gefeiert.

Ungewöhnliche Konzert-Konzepte unterstreichen das besondere Profil des Orchesters: So etwa die Verschränkung von Haydns "Sieben letzten Worten" in einer den Raum einbeziehenden Bearbeitung von Sylvain Cambreling mit Messiaens "Et exspecto resurrectionem mortuorum" und literarisch-theologischen Betrachtungen von Martin Mosebach, oder eine "Hommage à Mozart" gemeinsam mit dem Freiburger Barockorchester.

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Doris Blaich