Musikstück der Woche vom 17. bis 23. Januar 2010

Rar und reizvoll - Händels "Suites de Piecès pour le Clavecin"

Stand
AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Evgeni Koroliov spielte die dritte Cembalosuite des Opern- und Oratorienkomponisten Händel bei seinem Ettlinger Schlosskonzert am 14. November 2008.

Da Händel kaum Werke für Tasteninstrumente komponierte, nimmt diese Sammlung von Kammermusik - ursprünglich für Cembalo geschrieben - eine besondere Stellung ein. Koroliov, der für seine herausragenden Bach-Interpretationen berühmt ist, würdigt mit seiner Aufführung dieses Werk des Bach-Zeitgenossen.

Strahlende Klänge nach urheberrechtlichem Donnerwetter

Im November 1720, wenige Tage bevor Publikum Georg Friedrich Händels frischgedruckte Klavier-Suiten am Londoner Hay-Market kaufen konnte, war in Londons größter Tageszeitung, dem "Daily Courant", eine eindringliche Warnung aus Händels eigener Feder zu lesen: "The Author has been obliged to publish these Pieces to prevent the Publick being imposed upon by some Surreptious and incorrect Copies of some of them that has got abroad.”

Georg Friedrich Händel (1685-1759), Europas berühmtester Komponist seiner Zeit (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Georg Friedrich Händel

Was war vorgefallen? Händel veröffentlichte seine "Suites de Piecès pour le Clavecin" im Selbstverlag, um Raubkopien vorzubeugen. Denn die Amsterdamer Musikverlegerin Jeanne Roger hatte gemeinsam mit einem Londoner Geschäftsfreund die Klavierwerke ohne Händels Einverständnis bereits auf den Markt gebracht hatte. Die Verlegerin ihrerseits war unerlaubt an die Manuskripte der Klavierstücke durch den Pagen eines ehemaligen Schülers von Händel gekommen, und zwar des Earl of Carnarvon, für den Händel zwischen 1717 und 1719 auf Schloss Cannons bei Edgware als Hauskomponist gearbeitet hatte. Während Händel schließlich 1719 in Deutschland unterwegs war und für sehr Monate London verlies, erfuhr er von der geplanten Herausgabe seiner Cembalosuiten - und reagierte nach seiner Rückkehr sofort. Und zwar so entschlossen und schnell, dass seine eigene Ausgabe ein Jahr früher herauskam, als die der Amsterdamer Verlegerin.

Was Händel das Recht auf solch strickte Urheberrechtsdinge gab (in Zeiten, als für Komponisten keineswegs ein geregeltes Urheberrecht galt), war die Tatsache, dass ihm kurz zuvor das königliche Privileg zum alleinigen Recht an der Veröffentlichung seiner Musik für die Dauer von 14 Jahren verliehen worden war. Händels unglaubliche Popularität zu dieser Zeit bewirkte, dass seine Cembalowerke bald in einer zweiten Auflage erschienen, die Amsterdamer Verlegerin ebenfalls 'ihre' Ausgabe herausbrachte und außerdem europaweit zahlreiche Manuskripte der Werke kursierten.

Es handelt sich um Händels Erstlingswerk für Cembalo. Er, der als Opern- und Oratorienkomponist seinen Ruhm begründete, schuf anders als Johann Sebastian Bach, seinen Altersgenossen, nur wenige Werke für Tasteninstrumente. Im Grunde markieren sie, als sie 1720 erstmals erschienen, auch schon den Endpunkt seiner Beschäftigung mit dem Cembalo. Händel unterrichtete nur wenige Schüler, hatte als Leiter der "Royal Academy of Music" des King's Theatre regelmäßig dem englischen König italienische Opern zu liefern, arbeitete unternehmerisch - und spielte allenfalls noch zum Zeitvertreib auf dem Cembalo. Wenn der das tat, pflegte er die Kunst der Improvisation. Vor diesem Hintergrund kann man froh darüber sein, dass sich überhaupt Cembalo-Suiten erhalten haben. Und vielleicht hat sich von dem leichten, häuslichen Präludieren Händels auf seinem Cembalo etwas in den Präludien erhalten, mit der all seine Suiten beginnen.

Evgeni Koroliov

1949 in Moskau geboren, durchlief Evgeni Koroliov die gründliche pianistische Ausbildung, die Hochbegabten in der damaligen Sowjetrepublik zuteil wurde. Nach erstem Klavierunterricht an der Zentralen Musikschule studierte er am Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau bei den charismatischen Klavierpädagogen Lew Oborin und Lew Naumow. Zu seinen frühen Lehrern zählten auch der 'Meistermacher' Heinrich Neuhaus und die legendäre Pianistin Maria Judina. Nach dem Studium unterrichtete Koroliov zunächst am Moskauer Konservatorium, übersiedelte dann jedoch zu seiner Frau nach Mazedonien, wo ihn 1978 seine Berufung als Professor an die Hamburger Musikhochschule erreichte.

Mehrere Preise wichtiger Wettbewerbe, darunter der Bach-Preis Leipzig, den er als 19-jähriger gewann, der amerikanische Van Cliburn-Preis, und der Grand Prix Clara Haskil, ebneten Evgeni Koroliov den Weg zu einer internationalen Karriere. Er gastierte in den großen Musikzentren der Welt ebenso wie bei den internationalen Musikfestivals und trat auch als Kammermusikpartner von Künstlern wie Natalia Gutman, Mischa Maisky, dem Auryn und dem Keller Quartett auf. Außerdem ist er Duopartner seiner Frau Ljupka Hadzigeorgieva.

Dem Werk Johann Sebastian Bachs fühlt der Pianist sich besonders verbunden. Bereits als 17-jähriger erregte er durch eine Aufführung des gesamten "Wohltemperierten Klaviers" in Moskau Aufsehen. Sämtliche großen Klavierwerke Bachs gehören zum Grundbestand seines Repertoires, seine h-Aufnahmen, namentlich die der "Kunst der Fuge", sichern ihm eine herausragende Stellung in der Geschichte der Bach-Rezeption.

In der internationalen Klavierszene fällt Koroliov auf durch seinen gänzlichen Mangel an Attitüden. Er überzeugt 'ganz einfach' durch sein Können: seine überragende Technik, noble Anschlagskultur und luzide Transparenz - und durch seine geistige Durchdringung der Werke. Damit nähert er sich dem Punkt, an dem „Musik sich selber spielt", wie ein Kritiker anmerkte. Ein englischer Rezensent bringt es so auf den Punkt: "He plays Schubert’s Schubert, not his..."

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Kerstin Unseld