Musikstück der Woche vom 12.7. bis 18.7.2010

Verbeugung vor dem Klang der Klarinette

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AUTOR/IN
Kerstin Unseld

Johannes Brahms ließ sich für seine spät entstandenen Klarinettenwerke spontan vom Ton und von den Fähigkeiten eines Zeitgenossen aus der Meininger Hofkapelle inspirieren.

Im Asamsaal des Ettlinger Schlosses gastierten am 5. März 2009 der international gefeierte junge Klarinettist Martin Fröst, der Cellist Thorleif Thedéen und der israelische Pianisten Itamar Golan mit klassisch-romantischen Klarinetten-Schönheiten, unter anderem mit dem Klarinettentrio a-moll op. 114 von Johannes Brahms.

Samtig und sanglich

Richard Mühlfeld, Solo-Klarinettisten der Meininger Hofkapelle, war ein fülliger Mann mit schwarzem Bart. Johannes Brahms nannte ihn scherzhaft "Fräulein Klarinette", und ob er sich ob dieses Spitznamens wirklich geschmeichelt gefühlt hat, ist nicht bekannt. Bekannt ist dagegen Brahms’ große Bewunderung für "Fräulein Klarinette", über die er 1891 an Clara Schumann schrieb: "Man kann nicht schöner Klarinette blasen als es der hiesige Mühlfeld tut." Brahms schätzte Mühlfelds zarten, gesanglichen Vortrag, was ihn dazu veranlasste, dem Klarinettisten vier bedeutende Kammermusikwerke zu schreiben. Als erstes Werk dieser Gruppe entstand im Sommer 1891 das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier a-moll op. 114, gefolgt vom Klarinettenquintett op. 115 und drei Jahre später noch den beiden Klarinettensonaten op. 120.

Musikalisch ist Brahms in seinen Kammermusikwerken mit Klarinette vor allem eines wichtig, nämlich dass sich die Klänge der unterschiedlichen Instrumente besonders warm und eindringlich mischen. Gerade im Klarinettentrio – mit Klarinette, Violoncello und Klavier besetzt mit drei besonders heterogenen Instrumenten – gelingt ihm das auf eine eigentümlich sanfte Weise. Denn Klarinette und Cello, in tiefer Lage mit einer beiden Instrumenten eigenen 'Samtheit' und mit besonders vielen Möglichkeiten zum 'Singen' ausgestattet, verbindet Brahms mit ausgesprochen kantablen Themen. "Es ist, als liebten sich die Instrumente", schrieb darüber ein Freund von Brahms, der österreichisch-rumänische Komponist und Musikwissenschaftler Eusebius Mandyczewski.

Der Klarinettist Martin Fröst

Martin Fröst ist bekannt als Musiker, der an die Grenzen geht. „Clarinetist Martin Fröst hast to be heard to be believed“, schwärmte der „American Record Guide“.1970 im nordschwedischen Sundsvall geboren, versuchte Fröst es als Kind zunächst mit der Violine, kam dann mit neun zur Klarinette und studierte als 15-jähriger bereits in Stockholm. Weitere Studien in Hannover schlossen sich an. Heute ist der ruhig und bescheiden wirkende Schwede unter den führenden Klarinettisten auf Europas Konzertpodien der interessanteste. Frösts künstlerisches Profil ist eigenwillig, und es spricht von großer Experimentierfreude, auch in Bezug auf die klanglichen Möglichkeiten der Klarinette. Sein Repertoire umfasst vor allem klassische Musik, macht aber auch vor den sogenannten crossovers nicht Halt. Und der zeitgenössischen Musik gilt sein besonderes Augenmerk. Frösts kompromisslose Kunst der Interpretation übt auf Komponisten offenbar einen magnetischen Reiz aus: mindestens einmal pro Jahr hebt er ein für ihn geschriebenes Werk aus der Taufe. Abgesehen von seinen eigenen Konzertreihen und –projekten tritt Fröst in den wichtigsten Konzertzentren der Welt auf. Als begeisterter Kammermusiker arbeitet er mit Künstlern wie Mitsuko Uchida, Leif Ove Andsnes, Heinrich Schiff, Tabea Zimmermann und den Musikern des heutigen Abends zusammen.

Der Violincellist Thorleif Thedéen

Thorleif Thedéen, ebenfalls aus Schweden stammend, ist einer der angesehensten Musiker Skandinaviens mit einer ausgedehnten Liste von Engagements in der ganzen Welt. Internationale Aufmerksamkeit errang er, als er 1985 gleich drei der bedeutendsten Cello-Wettbewerbe der Welt gewann: den Hammer-Rostropowitsch-Preis in Los Angeles, den Pablo-Casals-Wettbewerb in Budapest und den International Tribune for Young Interpreters der European Broadcasting Union . Seitdem ist er ein gefragter Solist und Kammermusiker in den großen Konzertsälen und bei bedeutenden Musikfestivals. Zu Thedéens aktuellen Vorhaben zählen eine Tournee mit Janine Jansen und Maxim Rysanov sowie eine Einladung der Wiener Symphoniker, gemeinsam mit Julian Rachlin und Itamar Golan Beethovens Tripelkonzert aufzuführen. Geplant sind außerdem Konzerte mit dem London Philharmonic Orchestra und dem BBC National Orchestra of Wales. Thedéens CD-Einspielungen ernten regelmäßig höchstes Kritikerlob und Auszeichnungen wie den Cannes Classical Award und „Editor’s Choice“ im BBC Music Magazine.

Der Pianist Itamar Golan

Schon fast zwei Jahrzehnte lang ist Itamar Golan Kammermusikpartner der prominentesten Instrumentalisten dieser Zeit. Seine Arbeit hat ihm den Beifall der Kritik eingebracht und ihn zum meistgesuchten Pianisten seiner Generation gemacht. Geboren in Vilnius, Litauen, emigrierte Golans Familie in seiner Kindheit nach Israel. Dort begann seine musikalische Ausbildung, und schon als Siebenjähriger stand er erstmals auf der Bühne. Verschiedene Stipendien ermöglichten ihm ein Studium in den USA. Von früh an galt Golans größte Neigung der Kammermusik, aber er trat auch als Solist mit den großen Orchestern, wie dem Israel Philharmonic, den Berliner und den Wiener Philharmonikern auf. Zu den Musikern, mit denen er auf kammermusikalischem Gebiet zusammenarbeitete, gehören – um nur einige zu nennen – neben Fröst und Thedéen die Geiger Vadim Repin, Maxim Vengerov, Shlomo Mintz und Janine Jansen, der Cellist Mischa Maisky und die Klarinettistin Sharon Kam. Mit ihnen hat er auch zahlreiche CDs bei den sogenannten "major labels" eingespielt. 1991 kam er als einer der jüngsten jemals berufenen Lehrer an die Manhattan School of Music. Seit 1994 lehrt er Kammermusik am Pariser Konservatorium.

CD-Tipp

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Kerstin Unseld