Musikstück der Woche vom 15.2.-22.2.2010

Abgesang auf den Walzertaumel

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Maurice Ravel: „La valse“

In seinem Orchesterwerk „La valse“ entfaltet Maurice Ravel die gesamte musikalische Farbpalette und zeichnet einen Walzer, der vom brillanten Glanz in die finstersten Klänge abdriftet. In unserem „Musikstück der Woche“ dirigiert Miguel Harth-Bedoya das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR. Der Live-Mitschnitt stammt vom Juni 2008 aus der Stuttgarter Liederhalle.

„Eine kaiserliche Residenz um 1855“ notiert Maurice Ravel in die Partitur von „La Valse“. Und er beschreibt folgende Szenerie: „Flüchtig lassen sich durch schwebende Nebelschleier hindurch walzertanzende Paare erkennen. Nach und nach lösen sich die Schleier auf: man erblickt einen riesigen Saal mit zahllosen im Kreise wirbelnden Menschen. Die Szene erhellt sich zunehmend; plötzlich erstrahlen die Kronleuchter in hellem Glanz.“

1919 bestellt Sergej Diaghilew, der Impressario der legendären russischen Ballett-Truppe „Ballets russes“ diese Ballettmusik bei Ravel. „Wien und seine Walzer“ soll das Thema sein. Ravel kann dabei auf einen früheren Entwurf zurückgreifen, den er „als eine Art Apotheose des Wiener Walzers“ geplant hat; ein „phantastischer Wirbel, dem niemand entrinnen kann“. Es geht Ravel dabei nicht um musikalische Walzerseligkeit und eine heile Welt, sondern auch um die Ängste, die ein Walzertaumel auslöst, wenn er übersteigert wird. Er schreibt eine Art Walzer-Kaleidoskop, das sich in immer neuen Farben und Formen entfaltet: Mal sind sie glänzend und brillant, Pastelltöne und Gold schimmern auf. Dann treten bizarre und bedrohliche Muster auf, die sich fratzenhaft verzerren und in schrille und finster-morbide Farbtöne abdriften. Am Ende gerät alles aus den Fugen, die Musik wird geradezu brachial-gewalttätig. Ein Schlagzeugdonner tötet den Glanz der Kronleuchter. Und – wer weiß - vielleicht auch die Menschen, die sich dem Walzervergnügen hingegeben haben. Ravel schreibt „La valse“ mitten im ersten Weltkrieg, von dessen Gräueln er als Lastwagenfahrer mehr erlebt hat, als er eigentlich verkraften kann.

Diaghilew ist – wie so oft – nicht zufrieden mit der Partitur und lehnt eine Choreographie ab. So wird „La valse“ als reines Orchesterwerk uraufgeführt; am 12. Dezember 1920 in Paris. Erst neun Jahre später gibt es an der Opéra de Paris die erste getanzte Aufführung.

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR

Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter der Leitung von Andrey Boreyko (Foto: SWR, SWR -)
Andrey Boreyko dirigiert das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR

Das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR spielt jährlich rund 90 Konzerte im Sendegebiet des Südwestrundfunks, in den nationalen und internationalen Musikzentren und bei bedeutenden Musikfestspielen. Ein herausragender Höhepunkt in der Geschichte des RSO Stuttgart war das Konzert zum 80. Geburtstag von Papst Benedikt XVI. im Vatikan, das im April 2007 weltweit live übertragen wurde.

Das Orchester pflegt das klassisch-romantische Repertoire in exemplarischen Interpretationen und setzt sich mit Nachdruck für zeitgenössische Musik und selten aufgeführte Komponisten und Werke ein. Bis heute hat es mehr als 500 Werke uraufgeführt.

Viele namhafte Dirigentenpersönlichkeiten haben das RSO in den letzten 60 Jahren geprägt, unter Ihnen Sergiu Celibidache, Carl Schuricht, Sir Georg Solti, Giuseppe Sinopoli, Carlos Kleiber, Sir Neville Marriner, Georges Prêtre und Herbert Blomstedt. Ebenso konzertieren regelmäßig hochkarätige Solisten aller Generationen beim RSO.

Seit 1998 ist Sir Roger Norrington Chefdirigent des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart. Er verleiht "seinem" Orchester ein unverwechselbares klangliches Profil durch die Verbindung von historisch informierter Aufführungspraxis mit den Mitteln eines modernen Sinfonieorchesters. Ergebnis dieser Synthese ist ein "reiner Klang", der von der Presse gerne als "Stuttgart Sound" bezeichnet wird.

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Doris Blaich