Musikstück der Woche 16.11.-22.11.2009

Sieg des Mondes über die Sonne

Stand
AUTOR/IN
Doris Blaich

Joseph Haydn: Andante con variazioni für Klavier f-Moll Hob XVII:6

Viele Pianisten halten Joseph Haydns Variationen in f-Moll für den Höhepunkt seines Klavierschaffens. Zweifellos zählen sie zu seinen ausdrucksstärksten Werken. In unserem Live-Mitschnitt spielt Michael Korstick; das Konzert fand im Dezember 2007 bei der Reihe "Internationale Pianisten in Mainz" statt.

Bei einer Sonnenfinsternis schiebt sich der dunkle Mond vor die Sonne und blendet ihr Licht schließlich vollständig aus. Dann ist er von einem leuchtenden Strahlenkranz umgeben, der Corona. Leider dauert dieses wunderbare Naturschauspiel immer nur wenige Minuten, und die nächste totale Sonnenfinsternis wird man in Deutschland erst wieder im Jahr 2081 sehen können. Bis dahin können wir uns an einer musikalischen Sonnenfinsternis freuen: an Joseph Haydns Klaviervariationen in f-Moll. Haydn erfindet darin zwei unterschiedliche, ja gegensätzliche Themen: eines in Moll, eines in Dur – Nacht und Tag, Melancholie und Heiterkeit, Mond und Sonne. Beide werden abwechselnd variiert und erscheinen in unterschiedlichen Beleuchtungen.

Der österreichische Komponist Joseph Haydn (Foto: picture-alliance / dpa, picture-alliance / dpa -)
Joseph Haydn

Von Anfang an ist das Mollthema gewichtiger, die Schwermut überschattet die Leuchtkraft. In einer Coda (Haydn hat sie erst in einem zweiten Anlauf komponiert) erlebt die Musik eine tiefe Erschütterung, das tonartliche Zentrum scheint zertrümmert, die Themen bäumen sich auf. Schließlich siegt die Trauer und Resignation: Der Mond hat der Sonne das Licht geraubt. Für das Jahr 1793 eine unerhört düstere Komposition, die schon weit ins Ausdrucksspektrum der Romantik hineinragt.

Michael Korstick

Nach nur zwei Jahren Klavierunterricht erspielte sich der Kölner Michael Korstick den ersten Preis beim Wettbewerb "Jugend musiziert". Damals war er elf. Das Klavierstudium führte ihn unter anderem an die New Yorker Juilliard School, wo ihn seine Mitstudenten mit dem Kosenamen "Dr. Beethoven" versahen. Beethoven ist und bleibt einer seiner Favouriten, aber Michael Korstick geht auch immer wieder auf die Seitenpfade des Klavierrepertoires und kombiniert Wohlbekanntes mit Raritäten.

Erst als er 43 Jahre alt war, nach 20 erfolgreichen Konzert-Spielzeiten, erschienen seine ersten CDs – und machten prompt Furore. Der frisch gekürte "Nachwuchskünstler des Jahres" (!) avancierte 2004, nach seinen mehrfach ausgezeichneten Beethoven- und Schubert-Einspielungen denn auch rasch für die Jury der Fachzeitschrift "Fono Forum" zum "Künstler des Jahres". Korsticks Gesamteinspielung der Musik für Klavier und Orchester von Darius Milhaud (gemeinsam mit dem SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern) aus dem Jahr 2006 erhielt den "Preis der deutschen Schallplattenkritik".

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Doris Blaich