Musikstück der Woche mit L'Accademia Giocosa

Joseph Bodin de Boismortier: Violoncellokonzert D-Dur op. 26 Nr. 6

Stand
AUTOR/IN
Hendrikje Mautner-Obst
Kerstin Unseld

Goldstaub geschürft – Schmuckstück geschmiedet. So kann man die Interpretation des Violoncellokonzerts von Joseph Bodin de Boismortier durch Kristin von der Goltz und die L'Accademia Giocosa kurz auf einen Nenner bringen. Zu hören war diese besondere Musik in einem Bruchsaler Schlosskonzert am 10.12.2016.

In einem "Essai sur la musique ancienne et moderne" erfuhren 1780 die damaligen Leserinnen und Leser viel über die Zeit vor hundert Jahren, in der das Schaffen von Joseph Bodin de Boismortier lag: Boismortier, 1691 geboren, traf auf eine Zeit, in der einfache, anspruchslose Musik in Mode war. Der begabte Musiker wusste sich diese Tendenz zu Nutze zu machen und schrieb zahlreiche Airs und Duette für die Massen, gespielt auf Flöten, Violinen, Oboen, Dudelsäcken, Drehleiern etc.

Er nutzte die Naivität seiner Kunden aus, sodass man schon über ihn sagte: "Glücklich ist Boismortier, aus dessen Feder jeden Monat ohne Anstrengungen eine Air nach Belieben fließt." Boismortier wusste nichts zu antworten als: "Ich verdiene Geld." Aber die Leser dieses "Essai" erfuhren damals auch, was sie selbst betraf: was sie heute noch von den Werken Boismortiers haben – und zwar mit einem klaren Auftrag: Denn "wenn sich jemand die Mühe machte, in dieser reichhaltigen Mine zu schürfen, fände er darin soviel Goldstaub, um daraus einen Barren zu gießen". Diese Mühe des "Schürfens" haben sich bis in unsere Zeit noch nicht viele gemacht, um so größer ist nun der "Goldbarren", der zu gewinnen ist.

Geschrieben für jeden Geschmack und jedes Instrument

Boismortiers Concerto D-Dur op. 26 ist jedoch für einen ganz anderen Kontext des Musizierens. Als Boismortier sich in den 1720er Jahren in Paris niederließ, war in musikalisch interessierten Kreisen der Pariser Gesellschaft eine besonders leichte und ansprechende Musik beliebt. Dieser modischen Strömung vermochte Boismortier in hervorragender Weise zu entsprechen: Er war ideenreich und fleißig und erfüllte die Nachfrage nach immer neuen Werken mit Erfolg.

Das Concerto D-Dur, das den Abschluss einer Sammlung von fünf Sonaten bildet, veröffentlichte Boismortier 1729. Das Soloinstrument legte er nicht fest: Die Sonaten schrieb er für Violoncello, Viola da Gamba, Fagott und Basso continuo; das Konzert war wahlweise für eines dieser drei Instrumente mit Streicherbegleitung gedacht, so dass wir es heute in unterschiedlichen Besetzungen kennen. Obwohl Boismortier vermutlich selbst auch Cello spielte, ließ er das Konzert von einem bekannten zeitgenössischen Cellisten, Pierre-Philippe Saint-Sévin prüfen, bevor er es veröffentlichte. Das Concerto folgt der dreisätzigen Anlage mit einem schnellen Eröffnungssatz, einem lyrisch-cantablen Largo als Mittelsatz und einem lebhaften Finalsatz.

Kristin von der Goltz (Violoncello)

Kristin von der Goltz entstammt einer Musikerfamilie und studierte Violoncello unter anderem bei William Pleeth in London. Schon während dieser Zeit wirkte Kristin von der Goltz als Solistin, unter anderem mit dem London Philharmonic Orchestra und der Hannover Band. Von 1991 bis 2004 war sie führendes Mitglied beim Freiburger Barockorchester, bevor sie 2006 zu den Berliner Barock Solisten wechselte.

Kristin von der Goltz konzertiert sowohl auf einem modernen als auch auf dem Barockcello, ihre Partner heißen unter anderem Nikolaus Harnoncourt, Ton Koopman, Marc Minkowski. 2004 erschien ihre erste, von der Fachkritik hoch gelobte Solo-CD mit Sonaten des weithin unbekannten Komponisten Jakob Klein. Auch als Pädagogin hat sich Kristin von der Goltz international einen Namen erworben. Von 2000 bis 2004 hatte sie einen Lehrauftrag für Barockcello an der Folkwang-Hochschule in Duisburg, seit 2003 unterrichtet sie das gleiche Fach an der Münchener Musikhochschule, und an der Hochschule für katholische Kirchenmusik in Regensburg hat sie seit September 2004 eine Dozentur für die Frühförderklasse auf modernem Cello inne.

L’Accademia Giocosa 

Das Barockensemble L’Accademia Giocosa wurde 2010 von Musikern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks in München sowie freischaffenden Künstlern der Alte-Musik-Szene mit dem Ziel gegründet, die wunderbare und vielfältige Musik dieser Epoche auf Originalinstrumentarium einem interessierten Publikum nahe zu bringen – heiter, lebendig, „giocoso“. Die Mitglieder sind führende Instrumentalisten ihres Fachs, Preisträger diverser internationaler Wettbewerbe und bekleiden u. a. Professuren am Mozarteum Salzburg und an den Hochschulen für Musik in Würzburg, München und Karlsruhe. Durch jahrelange künstlerische Zusammenarbeit u. a. mit Reinhard Goebel, Nikolaus Harnoncourt, Sir John Eliot Gardiner oder Sir Christopher Hogwood konnten sich die Musiker auf dem Gebiet der Alten Musik profilieren.

Ausgehend von einer festen Stammformation präsentiert sich L’Accademia Giocosa in verschiedenen Besetzungen, von der Triosonate bis zur prächtigen Orchesterouvertüre, immer wieder neu. Beachtlich sind die Vitalität und Detailfreude der Musiker beim Spiel sowie die Homogenität des Klangs. Doch nicht zuletzt ist es auch der erfrischende Stil dieses Genre zu präsentieren, der sich den Zuhörern unmittelbar einprägt.

2012 spielte das Ensemble seine erste CD mit unbekannten Instrumentalwerken von Georg Philipp Telemann ein. Sie wurde 2014 mit dem Diapason d’or ausgezeichnet.

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Hendrikje Mautner-Obst
Kerstin Unseld